Die deutsche Energiewende ist ein Erfolgsmodell – zumindest, wenn es um Strom geht. Auf dem Wärmemarkt hingegen sieht es düster aus. Die leicht gestiegene Energieeffizienz in diesem Bereich wird durch den Trend zu größeren Wohnflächen konterkariert, und erneuerbare Energien haben das Nachsehen.

Stuttgart - Im nördlichen Schwarzwald, in den idyllischen Hügeln der 24 Höfe liegt ein ungewöhnliches Unternehmen: die Black Forest Distillers GmbH. Sie hat in nur vier Jahren geschafft, was vorher nur wenigen deutschen Getränkemarken gelungen ist: Einen international bekannten Namen zu etablieren. Ihr Dry Gin namens Monkey 47 wird in 72 Länder der Erde geliefert. Und noch etwas anderes ist ungewöhnlich an der Destille, obgleich es im Vergleich zur edelglänzenden Destillieranlage gut verborgen ist: Der ursprünglich 1840 errichtete Schwarzwaldhof, den das Unternehmen abgerissen und neu errichtet hat, wird mit Holzenergie beheizt.

 

Mit der Romantik eines knisternden Kamins hat das nichts zu tun. Die für die Anlage benötigten Pellets, gepresste Sägeabfälle, kommen wie Heizöl mit einem Tankwagen und werden per Druckluft in riesige Gewebesäcke im Keller des Hofes geblasen. Die Heizungsanlage selbst sieht ähnlich unspektakulär aus wie eine gas- oder ölbetriebene. Lediglich der Baum im Logo des Herstellers deutet darauf hin, dass hier ein nachwachsender Rohstoff verfeuert wird und kein fossiler.

Baden-Württemberg ist eine Hochburg der Holzheizer

Damit nutzen die Gin-Brenner eine insgesamt in deutschen Gewerbebetrieben selten vertretene Heizart. Die Holzenergie macht zwar den größten Teil der erneuerbaren Energien auf dem Wärmemarkt aus, doch der Löwenanteil der holzbefeuerten Heizungsanlagen sind privat betriebene Kamine, die nicht zuletzt durch die Feinstaubproblematik in Verruf gekommen sind. Moderne Pelletzentralheizungen gibt es in deutschen Haushalten gerade einmal 250 000 – von insgesamt mehr als 20 Millionen Heizungsanlagen in Deutschland. Die meisten davon stehen in Baden-Württemberg und Bayern. Hinzu kommen noch Pelletkamine, also Einzelöfen, und größeren Feuerungsanlagen, wie sie beispielsweise für Nahwärmenetze genutzt werden, alles in allem werden deutschlandweit etwa 420 000 Feuerungen mit Pellets betrieben.

Holz – in Fachkreisen meist als Biomasse bezeichnet – gilt als einer der wichtigsten Energieträger für die Energiewende auf dem Wärmemarkt. Aber „obwohl mehr als die Hälfte des Endenergiebedarfs in Deutschland für den Bereich Wärme benötigt wird, und ein Drittel der Treibhausgasemissionen darauf entfallen, ist hier nicht die Dynamik wie beim Strom zu sehen“, sagt Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien, die mit dem Energieholz- und Pelletverband (DEPV) zu einer Informationsreise über moderne Holzenergie eingeladen hatte.

Kommunen im Tiefschlaf

Während beim Strom schon fast 30 Prozent der Erzeugung aus regenerativen Quellen stammen, wird der Wärmebedarf von Immobilien – aber auch die Wärme, die Industrie und Gewerbetreibende für ihre Prozesse brauchen – noch immer zu fast 87 Prozent mit fossilen Brennstoffen gedeckt. Betrachtet man den Bereich Prozesswärme allein, so tragen erneuerbare Energien sogar nur fünf Prozent bei, erklärt Vohrer. „Und auch die meisten Kommunen und Stadtwerke liegen noch im Tiefschlaf.“

Auch effizienteres Heizen und Dämmen löst das Problem nicht wirklich: Zwar hat die Energieeffizienz im Bereich Wärme laut dem Umweltbundesamt leicht zugenommen, doch das wird durch den Trend zu größeren Wohnflächen konterkariert. Zudem sind sich Experten einig, dass für die Wärmewende sowohl Effizienz als auch erneuerbaren Energien gebraucht werden.

Pfalzgrafenweiler setzt auf Nahwärmeversorgung

Und das Potenzial ist groß: Alleine in Privathaushalten gäbe es viel zu tun. Eine Heizungsanlage in Deutschland ist im Schnitt 17,6 Jahre alt, und die Sanierungsquote liegt derzeit bei ein bis zwei Prozent, schätzt das baden-württembergische Umwelt- und Energieministerium. „Wir bräuchten aber 2,5 bis drei Prozent“, sagt Baden-Württembergs Umwelt und Energieminister Franz Untersteller (Grüne).

Wie es anders gehen kann, führt beispielsweise der 7000-Seelen-Ort Pfalzgrafenweiler vor, rund 20 Kilometer nordöstlich der 24 Höfe: In einer Graswurzelinitiative ist hier aus einer kirchlichen Gruppe heraus eine Energiegenossenschaft entstanden, die heute einen großen Teil des Ortes mit hauptsächlich aus Holz erzeugter Nahwärme und etliche Haushalte mit dem Strom versorgt, der bei der Wärmeproduktion abfällt: die Weiler Wärme eG. Nur den Spitzenlastbedarf – bei Ausfällen oder besonders eisigen Temperaturen, etwa acht Prozent pro Jahr – deckt die Weiler Wärme mit Gas und Öl. Das Holz, das die Genossenschaft verfeuert, stammt dabei aus einem Umkreis von 50 Kilometern, berichtet der Architekt Klaus Gall, der dem Vorstand der Weiler Wärme angehört. „Das meiste davon ist Landschaftspflegeholz.“

Horb hat sich für Holzvergasung entschieden

25 Kilometer weiter südwestlich, in Horb, kommen hingegen nur Pellets zum Einsatz. Die 25 000-Einwohner-Stadt am Neckar setzt auf ihrem Weg zur klimaneutralen Gemeinde unter anderem auf eine eher exotische Technik: Die Gaserzeugung aus Holz. Leidvoll musste die Stadt lernen, dass sich Hackschnitzel, wie zunächst gehofft, dafür nicht eignen. Und auch von den Pellets dürfen es nur besonders trockene sein, damit die Gaserzeugung funktioniert. Aber auch die stammen aus Deutschland.

Denn entgegen des weitverbreiteten Vorurteils, Pellets würden zumeist importiert, gibt es genug Abfall- und Restholz, um den Bedarf zu decken. Im Gegenteil: Deutschland ist sogar Netto-Exporteur, wie der DEPV-Geschäftsführer Martin Bentele betont. Und derzeit bleibe sogar so viel Abfall in den Sägewerken liegen, dass er immer wieder höre, die Späne würden an italienische Spanplattenwerke verkauft.

Gut ausgelastete Handwerker scheuen oft das Thema Holz

„Das Hauptproblem ist“, sagt der Lobbyist und Förster, „dass die Öl- und Gaspreise so niedrig seien, dass es keinen Anreiz zu einem Wechsel zu Holz gibt – zumal gas- und ölbefeuerte Brennwert-Heizungen immer noch staatlich gefördert werden. Zudem sind viele Handwerker dank der guten Baukonjunktur so ausgelastet, dass sie es vorziehen, altbekannte Heizungen zu empfehlen, statt sich auf die beratungsintensivere Holzthematik einzulassen.“ Die Vorteile liegen indes auf der Hand: Holz, als nachwachsender Rohstoff, ist rechnerisch CO2-neutral, denn was beim Verbrennen als Kohlendioxid ausgestoßen wird, wurde beim Wachsen der Bäume zuvor gebunden. Nur bei den Feinstaubwerten haben Gas und Öl noch die Nase vorne.