Die EnBW hat bereits ein Windparkprojekt in der Nordsee auf Eis gelegt. Auch bei Projekten der Konkurrenz gibt es zum Teil erhebliche Verzögerungen.

Stuttgart - Windparks im Meer sollen künftig einen großen Teil zur deutschen Stromversorgung beitragen. Der Bau der Anlagen ist aber schwerer zu verwirklichen als gedacht, und beim Anschluss ans Stromnetz gibt es erhebliche Verzögerungen. Der baden-württembergische Versorger EnBW hat deshalb angekündigt, den geplanten und genehmigten Park „Hohe See“ vorerst auf Eis zu legen. Andere bauen – oft langsamer als geplant – weiter.

 

Es gebe auch Windparkbetreiber, bei denen die Sache nach Plan laufe, sagt ein Sprecher von Vattenfall Europe. Beim Nordsee-Projekt „Dan Tysk“ westlich von Sylt mit 80 Windrädern und einer Leistung von 288 Megawatt will der deutsche Ableger des schwedischen Versorgungskonzerns Vattenfall seinen eigenen Zeitplan jedenfalls einhalten und Ende dieses Jahres mit dem Bau beginnen. Beim Netzanschluss läuft es aber doch nicht ganz wie gewünscht. Der werde wohl 2014 um drei Monate verschoben werden müssen, räumt der Sprecher ein. Das Netzunternehmen Tennet, das alle Windparks in der Nordsee an das Stromnetz anschließen muss, hat Probleme, die Leitungen rechtzeitig fertig zu stellen. Für „Dan Tysk“ hat Tennet die Leitung „SylWin“ vorgesehen, die 160 Kilometer durch die Nordsee verlaufen und bei Büsum anlanden wird. Sie soll im Frühjahr 2014 fertig sein, sagt Tennet, Vattenfall kalkuliert aber eine Verzögerung ein.

Es geht um dreistellige Millionenbeträge

Mehrfach musste der Termin für den Anschluss des Windparks „Nordsee Ost“ verschoben werden, den RWE westlich von Helgoland baut. Die 48 Windräder mit einer Leistung von rund 300 Megawatt sollten eigentlich schon Mitte dieses Jahres Strom liefern. Nun wird es voraussichtlich Mitte 2014 werden, bis der Anschluss betriebsbereit ist. Auf seiner Internetseite rechnet Tennet noch damit, dass die zugehörige Leitung „HelWin“ im Frühjahr 2013 angeschlossen werden kann, RWE aber nicht mehr. Der Essener Konzern behält sich vor, Tennet auf Schadenersatz zu verklagen. Es geht dabei um einen dreistelligen Millionenbetrag. Wegen der Verzögerung hat RWE die Planung „entschleunigt“ und die abschließende Investitionsentscheidung für seinen zweiten deutschen Meereswindpark „Innogy Nordsee“, der mit 1000 Megawatt einmal soviel leisten soll wie ein Atomkraftwerk, auf das nächste Jahr vertagt. Die Windparkprojekte im Meer vor Großbritannien und Belgien kämen dagegen gut voran, sagt ein Sprecher. Dort gebe es keine Probleme mit dem Netzanschluss. Sie liegen aber auch nicht so weit vor der Küste wie die deutschen Projekte.

Das Stadtwerke-Netzwerk Trianel hat bereits eine Klage gegen Tennet eingereicht. Es ist am Windpark „Borkum West II“ beteiligt und will mit der Klage die Interessen der kommunalen Gesellschafter wahren. Tennet sei seiner Aufgabe nicht gewachsen, meint Windpark-Geschäftsführer Klaus Horstick.

„Amrumbank West werden wir auf jeden Fall bauen“, sagt ein Sprecher von Eon. Die Verträge seien geschlossen, ein Errichterschiff bestellt. Im nächsten Jahr würden die Fundamente für die 80 Windräder gesetzt. Die hätten allerdings längst stehen sollen. Eon habe aber schon vor zwei Jahren eine Verspätung einkalkuliert, sagt der Sprecher, und das Projekt ein wenig nach hinten geschoben. Für zwei weitere geplante Parks mit jeweils 480 Megawatt Leistung, einer in der Nordsee und einer in der Ostsee, gebe es intern noch keine Investitionsentscheidung. An internationalen Windparkprojekten im Meer werde Eon festhalten, sagt der Sprecher. Die Düsseldorfer sind unter anderem am bisher weltweit größten Meereswindpark „London Array“ in der Themsemündung beteiligt, der ein Gigawatt leisten soll, wenn er fertig ist.

EnBW stoppt Auftragsvergabe für Ostsee-Projekt

Gebaut wird auch der Park „Bard Offshore 1“. Von den 80 geplanten Anlagen seien 60 fertig, sagt ein Sprecher. Tennet hat die Windräder bereits angeschlossen. Die Zukunft der weiteren geplanten Projekte ist unsicher, weil die verantwortliche Bard-Gruppe einen finanzkräftigen Investor sucht. Das baden-württembergische Unternehmen Windreich aus Wolfschlugen behauptet, es sei der einzige Offshore-Projektierer, der seine Zeitpläne einhalte. Für seine drei genehmigten Parks in der Nordsee gebe es verbindliche Anschlusszusagen. „Global Tech I“ mit 80 Anlagen gehe Ende 2013 sogar früher als geplant ans Netz, weil es an die fertige Umspannstation von Bard 1 angeschlossen werden kann.

Wegen der Verzögerungen hat die Bundesregierung beschlossen, die Haftung für die teuren und technisch schwierigen Anschlüsse zu begrenzen und die Stromkunden am möglichen Schadensersatz zu beteiligen. Das entsprechende Gesetz ist aber noch nicht von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. EnBW hat deshalb die Auftragsvergabe für seinen Nordsee-Windpark „Hohe See“ mit 80 Windrädern auf Eis gelegt. Planmäßig weiter laufen jedoch die Arbeiten in der Ostsee. Dort hatte EnBW im vergangenen Jahr den Windpark „Baltic 1“ mit 21 Anlagen in Betrieb genommen und baut an dem fast viermal größeren Projekt „Baltic 2“, das 2014 ans Netz gehen soll. In der Ostsee ist der Netzbetreiber 50Hertz für den Anschluss zuständig.

Ob sich die Lage nach dem Gesetzbeschluss ändert, ist offen. RWE stellt fest, der vorgelegte Entwurf biete keine ausreichende Investitionssicherheit. In dieser Form würden die gesetzlichen Maßnahmen nicht in erhofften Umfang neue Investitionen auslösen oder aktuelle Projekte finanziell entlasten.

Planung
Geplant sind derzeit Offshore-Windanlagen in Nord- und Ostsee mit eine Gesamtleistung von 40 000 Megawatt – soviel wie 40 Großkraftwerke. Am Netz sind nach der letzten offiziellen Zählung 52 Anlagen mit insgesamt 200 Megawatt. Mit den inzwischen von der Projektgesellschaft Bard in Betrieb genommenen Anlagen sind es nach Angaben des Unternehmens bereits knapp 100 Windräder.

Ziel
Nach dem Basisszenario im Energiekonzept der Bundesregierung soll der Anteil des Windstroms bis 2050 auf rund 25 Prozent der Bruttostromerzeugung wachsen. Wegen der relativ hohen Kosten für Offshore-Anlagen fordern inzwischen allerdings viele Experten stattdessen einen verstärkten Ausbau der billigeren Windkraft an Land.