Der Stuttgarter Gemeinderat macht den Weg frei für die Biogasanlage am Rande von Zuffenhausen, direkt an der B 27. Der gesamte Biomüll Stuttgarts soll dort künftig vergoren werden. Das Projekt kostet 15 bis 16 Millionen Euro.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Erst vor Kurzem hat es OB Fritz Kuhn (Grüne) bei der Bürgerversammlung in Zuffenhausen bekräftigt: die erste Biogasanlage Stuttgarts im Gewann Hummelsbrunnen werde kommen – sie sei alternativlos, sagte er. Von Ende 2017 an sollen dort alle Bioabfälle der Stuttgarter Haushalte vergärt werden, das sind rund 30 000 Tonnen im Jahr. Am Ende entstehen Strom und Nahwärme, die Kuhn in seinem Energiekonzept schon fest als Teil der Stuttgarter Energiewende eingeplant hat.

 

Ganz unter Dach und Fach ist die Planung aber noch nicht. Derzeit wird ein Bebauungsplan für den Hummelsbrunnen aufgestellt, den der Gemeinderat wohl in Kürze beschließen wird. Dann folgt das eigentliche Genehmigungsverfahren, am Ende muss der Gemeinderat den Baubeschluss fällen. Das alles soll noch in diesem Jahr geschehen, sagt Thomas Heß, der Leiter des Stuttgarter Abfallwirtschaftsbetriebes (AWS). Dann könne mit der Errichtung der Biogasanlage begonnen werden.

Endgültig vom Tisch ist die Idee, mit dem Landkreis Ludwigsburg eine gemeinsame Anlage zu bauen, obwohl nun womöglich in wenigen Kilometer Entfernung von Zuffenhausen eine weitere Biogasanlage entstehen wird. Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz sind alle Stadt- und Landkreise neuerdings verpflichtet, ihren Biomüll – eigentlich schon von 2015 an – getrennt vom übrigen Müll zu sammeln und zu verwerten.

Für Eidechsen ist ein Schutzgebiet geschaffen worden

Aber erstens habe man den Bürgern versprochen, keinen Müll aus anderen Kreisen nach Zuffenhausen zu karren, sagt Thomas Heß: „Da stehen wir im Wort.“ Und zweitens sei die Fläche in Zuffenhausen mittlerweile schlicht zu klein für eine größere Anlage. Wegen eines Schutzgebietes für Eidechsen stehen nur noch 60 Prozent des ursprünglichen Areals zur Verfügung.

Viele Menschen in Zuffenhausen sind dennoch von der Biogasanlage nicht begeistert, auch im Bezirksbeirat ist die Meinung geteilt. Nur mit der knappen Mehrheit von acht zu sechs Stimmen haben die Bezirksbeiräte im Juli 2014 dem Bebauungsplan zugestimmt. Bezirksvorsteher Gerhard Hanus betont, dass der Stadtbezirk sowieso schon stark durch Lärm und Abgase belastet sei: „Glücklich sind wir nach wie vor nicht.“ Aber man versuche sich mit der Anlage zu arrangieren. Hanus erwartet aber, dass die Stadt endlich ihre Zusagen wahr macht, einen Ausgleich zu schaffen – er ist gespannt auf ein Konzept zur Landschaftsentwicklung gerade im Hummelsbrunnen, das am Dienstag erstmals im Bezirksbeirat vorgestellt wird.

Neun Jahre Vorlaufzeit für Planung und Bau der Anlage

Diskutiert wird über die Biogasanlage bereits seit 2009 – sollte sich der jetzige Zeitplan tatsächlich verwirklichen lassen, so verstreichen dennoch von der Idee bis zum Betrieb neun Jahre. Immer wieder war der Zeitplan ins Wanken geraten, insgesamt um etwa drei Jahre, zuletzt durch die Forderungen des Naturschutzes in Bezug auf die Eidechsen. Die Umplanung erhöhte die Kosten um etwa zwei Millionen Euro auf nunmehr 15 bis 16 Millionen Euro.

Bei Backnang und in Böblinge laufen bereits Anlagen

Dennoch geht Thomas Heß davon aus, dass mit dem Betrieb der Biogasanlage die Müllpreise wieder sinken. Die flächendeckende und verpflichtende Einführung der Biotonne in Stuttgart hat ja bereits begonnen; bis Ende 2017 sollen alle Haushalte damit ausgestattet sein. Das erhöht zunächst den Preis. Wenn künftig mit der Biogasanlage aber Energie erzeugt wird, soll der Gewinn aus dem Verkauf den Bürgern zugutekommen. Über die Größenordnung will Thomas Heß noch nicht spekulieren: „Das hängt stark von der Entwicklung des Strompreises in den nächsten Jahren ab.“

Im Rems-Murr-Kreis, wo der Landkreis bei Backnang bereits eine Anlage in der Zuffenhäuser Größe betreibt, werden jährlich etwa 1,4 Millionen Euro für den verkauften Strom eingenommen. Bei 21 Millionen Euro an Gesamterlösen aus Gebühren und Abfallverwertung ist diese Summe also nicht gering zu schätzen. Der Landkreis Böblingen vergärt den Biomüll bereits seit 2005 in einer Anlage in Leonberg; sie ist ebenfalls so groß wie die geplante Stuttgarter Einrichtung. Dort werden jährlich 8,2 Millionen Kilowattstunden Strom gewonnen. Die weiteren Landkreise der Region, also Esslingen, Göppingen und Ludwigsburg, planen noch.

Wer die Wärme abnimmt, ist noch unklar

Wer am Ende die Energie der Zuffenhäuser Anlage abnimmt, ist noch offen. Grundsätzlich gibt es zwei Varianten. Entweder wird das in der Biogasanlage erzeugte Methangas direkt an einen Verwerter verkauft, der es in Erdgas umwandelt und ins allgemeine Gasnetz einspeist. Oder die AWS verbrennt das Methangas selbst in der Anlage mit einem großen Aggregat und erzeugt so Strom und Abwärme, die in der Nähe verbraucht werden.

Man könne aber nicht selbst entscheiden, welche Variante man wähle, sagt Heß; eine EU-weite Ausschreibung sei notwendig. Den neuen Vorschlag der grünen Gemeinderatsfraktion, mit der Wärme das nahe gelegene geplante Baugebiet Langenäcker-Wiesert zu beheizen, sieht Heß aber eher kritisch. Denn Haushalte bräuchten Wärme nur im Winter, die Biogasanlage produziere diese aber das ganze Jahr. Ein großer Abnehmer – im Gespräch ist Porsche – sei da geschickter, weil dort der Bedarf ganzjährig vorhanden sei. Auch das Hallenbad in Zuffenhausen wird als Abnehmer immer wieder diskutiert.

Insgesamt könnte die Biogasanlage Strom und Wärme für mindestens 1000 Einwohner produzieren.