Bis zum Jahresende 2104 soll der lokale Aktionsplan stehen, in dem Energieeffizienz und Energiesparen eine große Rolle spielen werden. Aus dem Gemeinderat kommt aber Kritik: Schon jetzt habe der OB zu lange gezaudert.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Wie weit ist Stuttgart bei der lokalen Energiewende? Um diese Frage und insbesondere um die bisherigen – manche sagen: fehlenden – Aktivitäten des grünen OB Fritz Kuhn ist in den letzten Tagen eine Debatte entstanden. Der Oberbürgermeister selbst hat seine Absichten nun präzisiert: „Spätestens bis zum Jahresende wird der Aktionsplan stehen“, kündigte er an.

 

Darin werde sicher der in Stuttgart dringliche Bau von Fotovoltaikanlagen eine Rolle spielen. Aber: „Stuttgarts eigentliche Energiequelle liegt in der Effizienz und im Einsparen.“ Aus diesem Grund sei es wichtig, die Bürger zu überzeugen, dass sich eine neue Heizung oder eine bessere Dämmung lohne. Von Bedeutung sei daneben, möglichst viele Blockheizkraftwerke zu bauen, die effizient seien und Strom und Wärme produzierten. Er sehe die Energiewende nach wie vor als eines seiner Kernthemen, wehrt sich der OB gegen Kritik.

CDU verteidigt den grünen OB – vorerst

Rückendeckung hat er nun von unerwarteter Seite erhalten. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz ist zwar der Meinung, dass der OB noch nicht Vollgas gegeben hat: „Aber dafür gibt es gute Gründe.“ Zum einen seien OB, Gemeinderat und Verwaltung mit dem komplizierten Verfahren um die Strom- und Gaskonzessionen beschäftigt. Und zum anderen müsse man tatsächlich, wie Kuhn selbst argumentiert, die Entscheidungen der großen Koalition in Sachen Energie abwarten: „Es geht um lange Zeiträume und hohe Investitionen – da darf man in Stuttgart keinen Schnellschuss machen.“ Dass die Stadtwerke bereits 14 Windräder erworben hätten, sei so mit einem Risiko behaftet. Kotz ist aber dennoch der Meinung, dass die Stadt mehr Projekte voranbringen müsse. Peter Pätzold, der Sprecher der Grünen-Fraktion im Gemeinderat, sieht die bisherige Bilanz Kuhns nicht negativ. Im Gegensatz zu Wolfgang Schuster zeige Fritz Kuhn ein enormes Interesse an Energiefragen; er sei bei fast jeder Sitzung persönlich dabei, und hinter den Kulissen laufe sehr viel. Pätzold räumt allerdings ein, dass Stuttgart bei der Zahl der Fotovoltaikanlagen, bei der die Stadt weit hinter dem Landesschnitt hinterherhinkt, nicht vorankommt. So sei die regionale Solarbörse im Grunde ein Flop.

Grüne wollen Angebote für Hausbesitzer machen

Nach dem Ende der Konzessionsverhandlungen müsse deshalb ein städtisches Konzept kommen, sagt Peter Pätzold. Er sieht das wichtigste Ziel nicht beim Bau von grünen Kraftwerken in Stuttgart – für Biogasanlagen oder Windräder gebe es in der Großstadt zu wenig Platz. Vielmehr müsse man es für Hausbesitzer attraktiv machen, ihr Gebäude zu sanieren.

Roswitha Blind, die Fraktionsvorsitzende der SPD, sieht die Arbeit Kuhns beim Thema Energie zweigeteilt. So lobt Blind den OB dafür, dass er in den Etatberatungen acht Millionen Euro angemeldet hatte, um das sogenannte Contracting in städtischen Gebäuden voranzutreiben. Dabei werden die Kosten für Sanierung und Heizung übernommen, damit schnell eine hohe Energieeffizienz erreicht wird; die Schulen oder Ämter müssen die Beträge langsam zurückzahlen. In den Jahren zuvor habe kaum ein Bruchteil des Geldes zur Verfügung gestanden, sagt Blind.

SPD ärgert, dass sich Kuhn mit fremden Federn schmückt

Nun müsse ein solches Angebot auch privaten Haushalten gemacht werden, so die SPD-Chefin. Daneben ärgert sie sich, dass Kuhn bei den Etatberatungen nicht die Initiative ergriffen hat, um das Thema Energieeffizienz in die Bürgerschaft hineinzutragen. Schon vor Kuhns Amtsantritt habe Stuttgart im Rahmen des Programms „Stadt mit Energieeffizienz“ (SEE) ein Kommunikationskonzept für die Bürger entwickeln wollen – doch Kuhn habe kein Geld im Haushalt angemeldet: „Dabei ist es doch von zentraler Bedeutung, die Bürger mitzunehmen.“ Im Übrigen störe es sie, so Blind, dass sich Kuhn schon öfters mit fremden Federn geschmückt habe: Was Kuhn beim Wohnungsbau oder beim Verkehr als sein Konzept verkündet habe, sei längst von der Verwaltung entwickelt und vom Gemeinderat beschlossen worden.Hart ins Gericht gehen Bernd Klingler (FDP) und Hannes Rockenbauch (Sprecher der SÖS/Linke) mit Kuhns persönlicher Energiebilanz im ersten Amtsjahr. „Er hat viel zu viel Zeit verstreichen lassen“, sagt Klingler: „In vielen Bereichen muss man nicht auf die Beschlüsse des Bundes warten.“ Er nennt den Bau von kleineren Wasserkraftwerken, den sich die FDP seit einiger Zeit auf die Agenda gesetzt habe.

SÖS sieht „Vergehen an künftigen Generationen“

Hannes Rockenbauch fehlt beim OB, aber ebenso beim Gemeinderat, der Mut zu großen Schritten. Vielmehr überlasse man die Energiewende den Stadtwerken und den Fachkräften von SEE. Rockenbauch sieht in diesem Zaudern „ein Vergehen an  künftigen Generationen“. Als Beispiel nennt er das Contracting: Die Fachämter hätten mit gutem Recht 13 Millionen Euro beantragt; nur dann hätte man die Schulen richtig sanieren können. Bewilligt hätten Kuhn und Gemeinderat aber nur acht Millionen Euro: „Die Stadt nutzt ihre Gestaltungsspielräume nicht. Man ist zufrieden, wenn man alles ein bisschen macht.“

Karte: Windräder-Standorte in der Region

Unsere interaktive Karte visualisiert den aktuellen Planungsstand in Sachen Windräder-Standorte für die Region Stuttgart. Der Regionalverband hat mögliche Windräder-Standorte benannt; die Landkreise nehmen derzeit dazu Stellung oder haben sich bereits geäußert.

Ein Klick auf den jeweiligen Marker zeigt Informationen zum aktuellen Planungsstand an; außerdem gibt es einen Link auf eine Karte, wo der geplante Standort detailliert eingetragen ist. Blaue Marker zeigen bereits bestehende Windkraftanlagen an. Gelbe Marker zeigen Standorte an, die in der Diskussion sind. Rot markierte Standorte wurden abgelehnt und werden nicht weitergeplant.