Die Stadt Stuttgart möchte im Rahmen der Energiewende das Fernwärmenetz der EnBW übernehmen. Doch die hat gar kein Interesse daran, das Netz zu verkaufen. Nun prüft die Stadt, ob sie vor Gericht zieht.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die SPD im Gemeinderat und einige Bürgerinitiativen haben nochmals Druck gemacht: Sie fordern, dass die Stadt endlich einige schwierige Fragen zur Fernwärme beantwortet; das Thema schiebt OB Fritz Kuhn (Grüne) seit mehr als einem Jahr vor sich her. Die wichtigste Frage lautet: Soll die Stadt vor Gericht klagen, um das Fernwärmenetz in die Hände zu bekommen? Doch Antworten hat die SPD vorerst nicht erhalten. Erst im Herbst und vermutlich nur in nichtöffentlicher Sitzung werde Kuhn eine Information geben, teilte Sprecher Sven Matis mit.

 

Zumindest in einem Punkt sind sich alle einig: Die „Wärmewende“ ist ein entscheidender Teil der Energiewende. Die Häuser müssen besser gedämmt werden, um Wärme einzusparen. Zweitens sollten viele Blockheizkraftwerke gebaut werden, die Wohnquartiere mit Strom und Heizungswärme versorgen. Drittens wäre es sinnvoll, das bestehende Fernwärmenetz zu verdichten. Denn die Fernwärme hat den großen Vorteil, dass sie in Stuttgart rund 25 000 Einzelheizungen ersetzt, da die Wärme zentral in drei Kraftwerken der EnBW erzeugt und als heißes Wasser in die Häuser geleitet wird. Das spart CO2 und reduziert die Immissionen in der Innenstadt.

Zurzeit wird über das Thema öffentlich nicht geredet

Auch OB Kuhn hat dies erkannt und deshalb ein Auge auf das Fernwärmenetz der EnBW geworfen. Doch ob die Stadt berechtigt ist, das Netz wie beim Wasser zurückzufordern, ist juristisch umstritten. Bei den Verhandlungen um die Konzessionen für Strom und Gas, die im März 2014 beendet waren, hatte man die Fernwärme deshalb ausgeklammert. Und seither nie wieder angesprochen, zumindest nicht öffentlich.

Hinter den Kulissen wird aber wohl geredet. Laut Bürgermeister Michael Föll (CDU) gibt es vielleicht noch dieses Jahr eine Entscheidung, ob die Stadt vor den Kadi zieht. So weit wie die SPD, die auch die Kraftwerke in Münster, Gaisburg und Altbach kaufen will, mag der Finanzbürgermeister sowieso nicht gehen.

Die EnBW wiederum weigert sich, über den Verkauf des Fernwärmenetzes oder gar der Kraftwerke auch nur nachzudenken. Ganz abgesehen von der juristischen Bewertung: Wolle Stuttgart allen Ernstes das Kraftwerk Altbach erwerben, das mit Kohle betrieben wird und vor allem konventionellen Strom produziert, fragt man sich bei der EnBW irritiert. Und nur das Netz zu erwerben, sei absurd. Erzeugung und Verteilung müssten eng aufeinander abgestimmt sein. Technisch seien Kraftwerke und Netz kaum zu trennen. Dies bezweifelt Michael Fuchs vom Bürgerverein „Kommunale Stadtwerke“. Er fordert, dass die technisch-wirtschaftliche und die rechtliche Machbarkeit einer Trennung jetzt durch unabhängige Sachverständige geprüft werden.

Die EnBW möchte das Fernwärmenetz ausbauen

Die EnBW belässt es allerdings nicht bei ihrer kategorischen Verweigerung. Damit verbunden ist ein Angebot an die Stadt: Bisher sind 18 Prozent der Stuttgarter Fläche an das Fernwärmenetz angeschlossen; umgekehrt könnten also auf 82 Prozent der Fläche theoretisch neue Nahwärmenetze entstehen – dies würde die EnBW gerne mit den Stadtwerken in Angriff nehmen. Für die Stadt ist das kein Entgegenkommen: Jeder könne schließlich ein Nahwärmenetz aufbauen – Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften, die EnBW. Das sei keine Lösung des Problems.

Auch beim Kraftwerk Gaisburg böten sich Möglichkeiten, wirbt die EnBW weiter. Dort könne man mit den Stadtwerken testen, wie man mit überschüssigem Strom Wasser erhitzt und im Fernwärmenetz zwischenspeichert, sagt Hans Bubeck, der Leiter des Projektes Gaisburg.

Steffen Ringwald, der bei der EnBW für die kommunalen Beziehungen zuständig ist, kann sich eine grundsätzliche Anmerkung zum Energiekonzept der Stadt nicht verkneifen. Es sei in der Theorie richtig, möglichst viele Nahwärmenetze zu bauen – aber ob diese verwirklicht würden, entscheide weder die Stadt noch die EnBW, sondern allein der Kunde. „Da muss man von Haus zu Haus gehen und informieren, beraten und überzeugen“, so Ringwald.

Einige Aufregung hat die Ankündigung der EnBW ausgelöst, das Kraftwerk Gaisburg neu zu bauen. Zwar sei der Umstieg von Kohle auf Gas in Hinblick auf das Klima ein großer Schritt, da sind sich alle einig. EnBW-Manager Dirk Güsewell sagte vor kurzem, um die gleiche Einsparung an CO2 zu erreichen, müssten Zehntausende von Bürgern vom Auto auf die Bahn umsteigen.

Kraftwerke sind laut der EnBW zukunftsfähige Anlagen

Zugleich fragt sich aber der BUND in einem Papier, wie die EnBW jetzt Gaisburg erneuern könne, ohne die geplante städtische Wärmewende zu berücksichtigen. „Die Stadt muss vor der Genehmigung des Neubaus ihre Interessen einbringen“, sagt auch Manfred Niess vom Klima- und Umweltbündnis: „Leider kümmert sich der Gemeinderat überhaupt nicht darum.“

Zudem würden viele gerne wissen, wie das Wärmekonzept der EnBW aussieht: Auch das Kraftwerk Altbach müsse vielleicht bald von Kohle auf Gas umgestellt werden, und im Kraftwerk Münster werde der Müll als Heizstoff immer weniger – ist Gaisburg also bald unterdimensioniert?

Hans Bubeck, der bei der EnBW das Projekt Gaisburg leitet, winkt ab. Münster und Altbach seien „moderne, zukunftsfähige Anlagen“ und müssten in absehbarer Zeit nicht modernisiert werden. Das jetzige Fernwärmesystem werde deshalb weiter Bestand haben, auch Altbach, dieses auch als Kohlekraftwerk. Und selbst wenn unerwartete Veränderungen in der Zukunft einträten, sei die EnBW gewappnet, betont Bubeck: Gaisburg soll in Modulen aufgebaut sein – und man könne bei Bedarf ein weiteres daneben stellen.