Energiewende in Stuttgart Stadtwerke planen Windrad bei Schloss Solitude – Gegnerinitiative ist überrascht

Zwischen dem Schloss Solitude und Weilimdorf könnte ein Windrad gebaut werden – der genaue Standort ist noch unklar. Foto: /Manuel Schönfeld/Stock Adobe

Vor zehn Jahren war der erste Anlauf gescheitert, jetzt könnten im Stuttgarter Nordwesten doch ein oder zwei Windräder errichtet werden. Die Gegnerinitiative ist überrascht, die Stadtwerke rechnen sich derweil durchaus Chancen aus.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Es ist ein kleiner Paukenschlag: Auf Nachfrage haben die Stadtwerke Stuttgart bestätigt, dass sie einen Genehmigungsantrag für eine Windkraftanlage in der Nähe von Schloss Solitude vorbereiten. Das mögliche Gebiet namens Sandkopf umfasst 41 Hektar und liegt ein bis zwei Kilometer vom Schloss entfernt im Wald, Richtung Weilimdorf-Wolfbusch und Botnang. Der Abstand zu den ersten Häusern in beiden Stadtteilen beträgt ebenfalls ein bis zwei Kilometer.

 

Brisant ist der Plan wegen seiner Vorgeschichte im nahen Tauschwald. Denn schon vor fast zehn Jahren wollten die Stadtwerke dort zwei Anlagen bauen; die damals anvisierte Fläche lag nur einen Steinwurf weiter östlich. Doch es formierte sich vor Ort Widerstand, selbst die Naturschutzverbände sprachen sich wegen des Vorkommens von Wanderfalken und Fledermäusen dagegen aus, am Ende lehnte die konservative Mehrheit in der Regionalversammlung 2015 den Standort ab.

Bürgerinitiative Pro Tauschwald ist überrascht

Doch die Bürgerinitiative Pro Tauschwald ist schon seit einem Jahr wieder auf dem Quivive. Denn der Regionalverband muss das Landesziel von 1,8 Prozent Fläche für die Windkraft erfüllen und weitere Standorte ausweisen, so kam der Sandkopf (Bezeichnung S-02 im Regionalplan) ins Spiel. Der Zeitpunkt für die Pläne der Stadtwerke überrascht trotzdem, denn eigentlich hatten alle damit gerechnet, dass vor einer erneuten Entscheidung der Regionalversammlung im Herbst nichts geschieht. Claus-Jürgen Lang, der Sprecher der Initiative, kannte den Vorstoß der Stadtwerke jedenfalls noch nicht.

Das Gebiet Sandkopf umfasst 41 Hektar. Foto: Grafik/Oliver Biwer

Thomas Kiwitt, der Technische Direktor des Regionalverbandes, betont jedoch, dass ein Projektierer nicht zwingend die Entscheidung der Regionalversammlung abwarten muss: „Das Land hat immer Möglichkeiten, Ausnahmen zuzulassen.“ Er selbst weiß aber ebenfalls nichts Näheres.

Stephan Stegmann, der Sprecher der Stadtwerke Stuttgart, teilt die wichtigsten Fakten mit. Die Fläche befinde sich im Besitz der Stadt Stuttgart. Eine Überlassung an die Stadtwerke ist also wahrscheinlich – in der Vergangenheit hatte die derzeitige öko-soziale Mehrheit im Gemeinderat immer Windräder auf Stuttgarter Gemarkung befürwortet. Man plane mit einer Schwachwindanlage mit sieben Megawatt Leistung und einer Gesamthöhe von etwa 260 Metern. Man beabsichtige, den Genehmigungsantrag in der zweiten Jahreshälfte 2025 einzureichen. In Betrieb gehen könnte das Windrad frühestens 2027. Die Kosten für ein solches Windrad lägen in der Regel zwischen neun und 13 Millionen Euro.

Daneben plant wohl auch eine Projektgesellschaft aus München auf Flächen des Landesforstes eine weitere Windkraftanlage. Näheres dazu ist noch nicht bekannt.

Ob die Anlagen wirklich kommen, bleibt aber ungewiss. Denn es gibt viele Punkte, die dagegen sprechen und die jetzt eingehend geprüft werden müssen. Selbst der Regionalverband, der den Standort ins Suchverfahren aufgenommen hat, weist ausdrücklich auf die Gefahr „beträchtlicher Beeinträchtigungen“ hin. Dazu gehört nicht nur das Vorkommen sensibler Tierarten.

Schloss Solitude ist denkmalgeschützt

Der Wald habe zudem eine sehr große Erholungsfunktion für die Menschen der Umgebung. Und das nahe denkmalgeschützte Schloss Solitude gehört zu den 37 herausragenden Landmarken in der Region Stuttgart, die besonders davor bewahrt werden sollen, durch Windräder visuell beeinträchtigt zu werden. Es gibt aber keine allgemein gültige Abstandsgröße.

Stephan Stegmann betont, dass die Belange etwa des Naturschutzes im Genehmigungsverfahren ausführlich geprüft würden. Die Stadtwerke rechnen sich aber Chancen aus: „Die Standortveränderung kommt nicht von ungefähr“, so Stegmann. Unter anderem die Bedenken beim Tauschwald hätten zu dieser Verschiebung hin zum Sandkopf geführt.

Die Stadtwerke hatten vor zehn Jahren eine eigene Windmessung für den Tauschwald durchgeführt. Die Windstärke mit durchschnittlich 5,81 Meter pro Sekunde in 137 Meter Höhe sei so gut, dass sich die Anlage auch rechnen würde, wenn man sie gelegentlich abschalten müsse, um Vögel und Fledermäuse zu schützen, sagte der damalige Geschäftsführer der Stadtwerke. Die rund 250 000 Euro an Planungskosten war nach dem Beschluss der Regionalversammlung aber verloren. Die zwei Anlagen hätten Strom für 5000 Haushalte liefern können. Mittlerweile sind die Windräder höher, vermutlich könnte nun ein Windrad annähernd die gleiche Strommenge erzeugen.

Weitere Themen