In Marbach können Kinder das Abi weiter regulär in neun Jahren machen. Doch die Kapazitäten sind am Limit. Deshalb fordert die Stadt Land und Nachbarkommunen zum Handeln auf.

Das achtjährige Turbogymnasium ist zwar offiziell Standard in Baden-Württemberg. Doch schon an den beiden Modellschulen im Landkreis Ludwigsburg, an denen man auch in neun Jahren das Abi bauen kann, zeigt sich, welchen Weg Eltern und Kinder im Zweifelsfall favorisieren: Am Ludwigsburger Mörike-Gymnasium sind zuletzt von sieben Eingangsklassen sechs im G9-Zug auf die Reise zur Hochschulreife geschickt worden, berichtet Schulleiterin Sylvia Jägersberg. Am Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) werden laut ihrem Pendant Volker Müller stets zwei, bis drei G8-Klassen gebildet – bei in der Regel zehn Klassen pro Jahrgang.

 

Kein Wunder, dass nun der Marbacher Verwaltungsausschuss grünes Licht für eine abermalige Verlängerung des Versuchs gegeben hat. Allerdings sendete das Gremium dabei einen Hilferuf an Land und umliegende Kommunen aus.

Das Problem ist, dass die Anmeldezahlen auch wegen des beliebten G9-Angebots ungebrochen hoch sind. In Kombination mit der Doppelstruktur, die das FSG damit fährt, entstünden zunehmend räumliche Engpässe, prognostizierte Bürgermeister Jan Trost. „Wir haben kein Geld, die Schule zu vergrößern. Wir haben dafür auch nicht den Grund und Boden“, sagt zudem Michael Herzog (Freie Wähler). Und das FSG könne, überspitzt formuliert, nicht die Anlaufstelle für den gesamten Landkreis sein. „Wir sind im Moment die Insel, die alles auffangen muss“, pflichtete Heinz Reichert von der SPD bei.

Bürgermeister erinnert an Gutachten

Vor dem Hintergrund fordert die Stadt, dass ein weiteres Gymnasium im Bottwartal gebaut wird. Trost erinnerte an ein Gutachten, in dem ein entsprechender Bedarf attestiert worden sei. Die Untersuchung liege seit fünf Jahren auf dem Tisch. „Leider ist es so, dass sich immer noch nichts getan hat, weder vonseiten der dortigen Kommunen noch vonseiten des Landes“, bemängelte der Bürgermeister. Er könne nur an die betreffenden Stellen appellieren, endlich zu handeln. Denn andernfalls drohe wieder das Szenario, dass sogar Schüler aus Benningen abgewiesen werden müssen – worüber man in der Nachbarkommune reichlich verschnupft war. In der Sitzung fiel sogar der Name der Stadt, in der man sich so ein weiteres Gymnasium gut vorstellen könnte: Großbottwar.

Dessen Bürgermeister Ralf Zimmermann zeigt sich offen für derlei Überlegungen. „Wir würden uns nicht verschließen für den Standort Großbottwar“, sagt Zimmermann. „Wir hätten sogar ein Baufenster für ein weiteres Schulgebäude“, fügt er hinzu. „Der entscheidende Punkt ist aber, wie das finanziert werden soll“, erklärt er. Außerdem müsse geklärt werden, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist und ob ein dauerhafter Betrieb gesichert wäre. Für eine Diskussion fehlten also schlicht die Grundlagen. Der Ball liegt aus Sicht von Zimmermann folglich beim Land.

Wer ergreift die Initiative?

Das Stuttgarter Kultusministerium wiederum verweist auf das Recht der kommunalen Selbstverwaltung. „Dem Schulträger, also den in Frage kommenden Städten und Gemeinden, kommt nach den gesetzlichen Regelungen ein maßgebliches Initiativ- und Gestaltungsrecht bei der Frage zu, ob für die Einrichtung eines neuen Gymnasiums ein Antrag bei der Schulverwaltung gestellt werden soll“, erklärt die Pressereferentin Simone Höhn.

Und bisher scheine keine Kommune „konkrete Planungen für einen solchen Einrichtungsantrag vorgenommen zu haben“. Gespräche seien in der Sache aber geführt worden. Und „dem Vernehmen nach könnte die Frage des öffentlichen Bedürfnisses für ein zusätzliches Gymnasium vorbehaltlich der abschließenden Prüfung durch die Schulaufsichtsbehörden durchaus bejaht werden“, teilt Simone Höhn mit.

Die Frage ist, ob allein ein weiteres Gymnasium im Bottwartal angesichts des allgemeinen G-9-Booms insgesamt den Druck vom Kessel nehmen würde. Der Marbacher SPD-Mann und pensionierte Lehrer Reichert meinte, dass es eigentlich mehrere und angemessen über die Region verteilte Schwerpunktschulen mit Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 wie das FSG geben müsste.

G9 verschafft Zeit für Zusatzangebote

Von so einem System würde wohl auch das Mörike-Gymnasium in Ludwigsburg profitieren. Denn auch dort sei der Zulauf „weiterhin ungebrochen“, teilt Leiterin Sylvia Jägersberg mit. Bei den Räumen seien die Kapazitäten erschöpft. „Für das kommende Schuljahr können wir nur wieder sechs Klassen aufnehmen, davon wird eine Klasse G8 sein“, erklärt sie. Ihr Kollege Volker Müller machte aber auch klar, dass man keinesfalls auf die Wahlfreiheit und G9 verzichten wolle. Denn es gebe Schüler, die später reif würden und auch die Zeit brauchten, die sie durch G9 gewönnen, um sich den vielfältigen Zusatzangeboten widmen zu können.

Ein Versuch, der seit mehr als zehn Jahren läuft

Freiheit
 In Baden-Württemberg gibt es 44 Gymnasien, an denen neben G8- ein G9-Zug angeboten wird. Im Kreis Ludwigsburg besteht eine Wahlfreiheit seit 2012 am Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium und seit 2013 am Mörike-Gymnasium in Ludwigsburg.

Verlängerung
 Die schon Jahre währende Versuchsphase wurde laut Kultusministerium erneut verlängert, um die Kontinuität in den bestehenden Strukturen, aber auch die verschiedenen Optionen zu erhalten, mit denen Schüler das Abi ablegen können – wie über G8, die gymnasiale Oberstufe an Gemeinschaftsschulen oder eben G9. Studien hätten gezeigt, dass es keine Unterschiede bei den Abinoten von G8- und G9-Schülern und keine signifikanten Unterschiede bei den Kompetenzen in Mathe, Physik und Biologie gebe.