Als Drahtzieher einer Enkeltrick-Bande sind eine 54 Jahre alte Frau und ein 50 Jahre alter Mann zu neun und acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie fühlen Scham und Schande – der Richter spricht von der psychischen Belastung der Opfer.

Tübingen - Die Hintermänner von Banden, die mit Hilfe des sogenannten Enkeltricks vorwiegend ältere Menschen um ihr Erspartes bringen, werden nur selten gefasst und überführt. Nun hat das Tübinger Landgericht aber eine 50 Jahre alte Frau und einen 54 Jahre alten Mann wegen erwerbs- und bandenmäßigen Betrugs in neun Fällen zu neun und acht Jahren Haft verurteilt. Insgesamt hatten die Betrüger rund 100 000 Euro erbeutet.

 

Das Gericht lobte am Donnerstag ausdrücklich die „gute Polizeiarbeit“. Die beiden Verurteilten sind nach Roma-Art seit Jahrzehnten verheiratet. Ihre drei Söhne sollen die für die Opfer verhängnisvollen Telefongespräche geführt haben. Nach diesem Trio wird per Haftbefehl gesucht. In seiner ausführlichen Urteilsbegründung beschrieb Richter Martin Streicher das Leid der älteren Menschen, die Opfer dieser Betrugsfälle geworden sind.

Weil sie kein Geld mehr hatte, konnte eine alte Frau aus einem kleinen Dorf ihr Auto nicht mehr reparieren lassen – sie war schon deswegen von sozialen Kontakten abgeschnitten. Nicht einmal das Heizöl für den Winter habe sie mehr bezahlen können und über lange Zeit frieren müssen. Streicher erwähnte die Isolation, in die die Opfer sich flüchten, begleitet von einem Gefühl der Schande, der Scham und des Versagens. Immer würden sie sich fragen: „Wie konnte mir das passieren? Wie konnte ich darauf reinfallen? Wieso habe ich fremden Menschen mein Geld gegeben?“ Der Richter hob hervor, dass es „darauf keine Antworten gibt“.

Keine Sekunden Zeit zum Nachdenken

Gewalt sei zwar nicht angewandt worden, sagte der Richter. Um an Geld zu kommen, hätten sich die Täter jedoch in das Innerste der zu schädigenden Personen eingeschlichen. Nach der Eingangsfrage „Rate mal, wer am Apparat ist?“ würde die Hilfsbereitschaft skrupellos ausgenutzt. Dank der raffinierten Gesprächsführung bliebe den Opfern keine Sekunde zum Nachdenken, bis sie das Geld einem Abholer übergeben.

„Wir haben über die Spitze des Eisbergs verhandelt, solche Anrufe geschehen in Deutschland 1000-mal pro Tag“, sagte Streicher. Die beiden Abholer der Bande, ein Ehepaar, waren in einem früheren Prozess in Tübingen zu Haftstrafen verurteilt worden. Unabhängig voneinander hatten sie in den polizeilichen Vernehmungen die nun Verurteilten schwer belastet. Vor Gericht blieb der Ehemann bei seinen Aussagen. Ihn bezeichnete der Richter als „absolut glaubwürdig“.

Die Frau dagegen rückte von ihren Aussagen komplett ab. Sie sei von ihrem Mann dazu gezwungen worden, auch mit körperlicher Gewalt, führte sie aus. Das Gericht glaubt vielmehr, dass „ein Räderwerk“ um die Angeklagten von angeblichen Entlastungszeugen bis hin zu den Anwälten alles aufgeboten habe, um die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen zu erschüttern. „Schauspielschüler wären daran kläglich gescheitert“, hielt Streicher fest.

Verteidigung wird Revision einlegen

Für das Gericht steht außer Frage, dass das nun verurteilte Paar diese Verbrechen im Hintergrund plante, überwachte, das Geld entgegennahm und Anwälte organisierte. Reue zeigten beide nicht. Vor allem die Frau unterbrach die Ausführungen des Richters immer wieder mit Zwischenrufen: „Wo sind die Beweise?“ Die Verteidiger wollen Revision gegen das Urteil einlegen.