Ein polnisches Gericht hat überraschend entschieden, dass die siebenjährige Lara vorläufig bei ihrer polnischen Mutter untergebracht wird – und damit bei jener Frau, die das Mädchen vor zweieinhalb Jahren gewaltsam in Ditzingen entführt hat. Der Vater ist verzweifelt.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ditzingen/Legnica - Überraschende Wende in der Familientragödie um die siebenjährige Lara aus dem Strohgäu: Ein Amtsgericht im niederschlesischen Legnica (Liegnitz) hat am Freitag entschieden, dass das Mädchen vorläufig bei der polnischen Mutter untergebracht wird – und damit bei jener Frau, die Lara vor zweieinhalb Jahren gewaltsam in Ditzingen entführt und nach Polen verschleppt hat. Für Thomas Karzelek, Laras deutschen Vater, ist die Entscheidung ein unerwarteter Rückschlag bei seinem verzweifelten Versuch, seine Tochter zurück in ihr Heimatland zu bringen. „Das ist ein klarer Affront, und die Richter haben mich dabei nicht einmal angehört“, klagt der 46-Jährige.

 

Das Gericht in Legnica hebelt mit seiner Entscheidung einen Beschluss des Ludwigsburger Amtsgerichts aus, das dem Vater schon vor Jahren das alleinige Sorgerecht für Lara übertragen hat. Was für Joanna S., Laras Mutter, vor zweieinhalb Jahren ein Grund war, Lara gewaltsam nach Polen zu verschleppen. Als die Polizei vor zwei Wochen das Versteck in Legnica ausfindig machte, kam die Siebenjährige zunächst in ein Kinderhaus, wo der Vater sie immerhin täglich besuchen durfte.

Im Moment darf der Vater seine Tochter nicht sehen

Ob Thomas Karzelek auch in Zukunft ein Umgangsrecht erhält, ist unklar. Er wisse derzeit nicht, wo Lara sei, sagt er. Mehrfach habe er in den vergangenen Tagen versucht, Kontakt zu Joanna S. aufzunehmen, doch diese nehme das Telefon nicht ab. Das Gericht hat angeordnet, dass Joanna S. mit ihrer Tochter Legnica nicht verlassen darf. Außerdem wurde ein Verfahrenspfleger bestellt, der die Mutter beaufsichtigen soll.

Das polnische Amtsgericht begründet die umstrittene Entscheidung, das Kind in die Obhut der Mutter – und damit in die Hände einer verurteilten Entführerin – zu geben, mit einem neuen psychologischen Gutachten. Dieses belege, dass Lara Angst vor ihrem Vater und die Bindung zu ihm verloren habe. Der 46-Jährige hat vor einigen Tagen selbst eingeräumt, dass die erste Begegnung mit seiner Tochter in dem Kinderhaus schwierig gewesen sei. Nach der langen Phase der Trennung sei Lara anfangs vor ihm weggelaufen, habe ihn nicht sehen wollen. Doch schon nach wenigen Tagen, erzählt Karzelek, habe sich die Beziehung normalisiert. Lara habe sich an frühere Zeiten in Deutschland erinnert, habe ihn umarmt, gelacht und sich auf die Treffen mit ihm gefreut.

Ein weiteres, noch aktuelleres Gutachten einer anderen polnischen Psychologin bestätigt dies. Lara habe sich bei den Besuchen ihres Vaters ungezwungen verhalten, gerne mit ihm gespielt und körperlichen Kontakt gesucht, heißt es in der Beurteilung, die dieser Zeitung in Form einer beglaubigten Übersetzung vorliegt. „Die gesammelten Beobachtungen weisen eindeutig darauf hin, dass eine konstruktive Beziehung zwischen Vater und Kind wieder aufgebaut werden kann. Dieser Prozess hat grundsätzlich bereits begonnen.“

Das polnische Justizministerium hofft, dass die Mediation gelingt

Doch diese Entwicklung ist nun wieder gestoppt, weil Lara erneut von ihrem Vater getrennt wurde. Das polnische Justizministerium, das sich intensiv mit dem Fall beschäftigt, betont, dass es sich um einen vorläufigen Beschluss handle. Endgültig entschieden werde über Laras Zukunft nach einem Mediationsprozess, der in dieser Woche beginnen soll und sich voraussichtlich über mehrere Tage erstrecken wird.

Im Verlauf dieses Verfahrens sollen Thomas Karzelek und Joanna S. erstmals seit der Entführung direkt miteinander sprechen, unterstützt von zwei professionellen Mediatoren. Das Ziel ist, dass beide Seiten eine Übereinkunft finden, die im Anschluss schriftlich fixiert wird und möglichst bindend sein soll. „Ich bin nach wie vor optimistisch, dass dies gelingt“, sagt Kamila Zagórska, die für den Fall zuständige Abteilungsleiterin des Justizministeriums. Thomas Karzelek indes ist skeptisch. „Die Mutter ist offensichtlich nur auf Eskalation aus, was ist das für eine Grundlage für eine Mediation“, fragt er.