Die siebenjährige Lara, die vor zweieinhalb Jahren von ihrer Mutter von Ditzingen nach Polen verschleppt worden ist, befindet sich noch immer in einem Kinderhaus. Das polnische Justizministerium bereitet jetzt eine Mediation mit den Eltern vor – mit ungewissem Ausgang.

Ditzingen/Legnica - Ein Mediationsprozess soll helfen, die Familientragödie um die siebenjährige Lara aus dem Strohgäu zu beenden. Das hat das polnische Justizministerium am Donnerstag gegenüber dieser Zeitung mitgeteilt. Mitte Mai sollen die Eltern, begleitet von zwei psychologisch geschulten Mediatoren, in einen Raum geführt werden und über die Zukunft ihres Kindes sprechen. „Sie werden nicht die Gelegenheit bekommen, sich anzufeinden“, sagt Kamila Zagórska, Abteilungsleiterin des Ministeriums. „Der Fokus wird allein darauf liegen, die beste Lösung für Lara zu finden.“ Beide Seiten, Thomas Karzelek, der deutsche Vater, und Joanna S., die polnische Mutter, hätten sich bereit erklärt, an der Mediation teilzunehmen.

 

Lara selbst befindet sich derzeit in einem Kinderhaus in Legnica (Liegnitz). In der niederschlesischen Stadt war sie vor elf Tagen aufgespürt worden, nachdem die Mutter ihre Tochter im Oktober 2014 nach Polen verschleppt hatte. Unter Einsatz von Pfefferspray und mit Hilfe eines Komplizen hatte die Juristin das Mädchen in Ditzingen einer Begleiterin entrissen. Während Joanna S. wegen der Entführung im Gefängnis saß, versteckte die Großmutter ihre Enkelin. Erst in der vergangenen Woche machte die Polizei das Versteck ausfindig.

Schon vor der Entführung waren Thomas Karzelek und Joanna S. heillos zerstritten, als Lara zwei Jahre alt war, trennten sie sich und kämpften um das Kind. Schließlich bekam der Vater vom Ludwigsburger Amtsgericht das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Doch obwohl dieses Urteil auch in Polen bindend ist, wurde es ihm jetzt nicht erlaubt, Lara, die im Strohgäu aufgewachsen ist, zurück nach Deutschland zu holen.

Ein Gericht hat angeordnet, dass Lara erst einmal nicht nach Deutschland zurück darf

Ein polnisches Gericht hat stattdessen angeordnet, dass die Siebenjährige zunächst in das Kinderhaus kommt, wo der Vater und die Mutter sie täglich besuchen dürfen. Ein Psychologe hatte vor der Gerichtsentscheidung festgestellt, dass Lara Angst vor ihrem Vater habe, was der 46-Jährige nicht einmal abstreitet. Bei der ersten Begegnung sei seine Tochter vor ihm weggelaufen, habe ihn nicht ansehen wollen, erzählt Karzelek. Überraschend sei das nicht. Die polnische Seite der Familie habe Lara „zweieinhalb Jahre erzählt, was für ein böser Mann ich bin und was für ein böses Land Deutschland ist, das hat Spuren hinterlassen.“

Auch früher schon, etwa nach der Sorgerechtsentscheidung in Ludwigsburg, hatte Joanna S. behauptet, sie werde in Deutschland schlecht behandelt, weil sie Polin sei. Eine Gutachterin hatte ihr damals eine verzerrte Wahrnehmung und starke Ich-Bezogenheit bescheinigt. In dem anstehenden Mediationsprozess sollen rechtliche Fragen indes erst einmal ausgeblendet werden. Zwei Tage sind dafür angesetzt. „Im besten Fall“, sagt Kamila Zagórska, „finden beide eine Übereinkunft, die es sowohl dem Vater als auch der Mutter ermöglicht, Kontakt zu Lara zu haben“. Sie hoffe auf eine „Art Mittelweg“. Und wenn keine Einigung möglich ist? „Dann müssen Gerichte entscheiden, wie es weiter geht, was sicher nicht die beste Lösung wäre.“

Das Justizministerium hofft darauf, dass die Eltern gemeinsam eine Lösung finden

Thomas Karzelek aber pocht auf sein Recht, vor allem auf sein Sorgerecht, und drängt auf einen anderen Ablauf. Er will, dass Lara noch vor der Mediation nach Deutschland kommt. „Dieser deutsch-polnische Krieg muss aufhören, und das geht nur, wen Lara an einem sicheren Platz ist“, sagt er. Zumal seine Tochter ihre Ängste bereits abgelegt habe. „Sie erinnert sich jeden Tag ein bisschen mehr an früher, lacht, umarmt mich. Es gibt keinen Grund, sie weiter in Polen zu halten.“ Sobald Lara zu Hause sei, sei er bereit, mit Joanna S. nach Lösungen zu suchen, versichert Karzelek. „Ich war immer der Meinung, dass Lara auch Kontakt zu ihrer Mutter haben sollte. Ich wollte nie, dass der Konflikt so eskaliert.“

Dass Lara noch vor Mitte Mai übergeben wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Auch in polnischen Medien wird viel über den Fall berichtet. Der Druck sei groß, die Sachlage kompliziert, sagt Kamila Zagórska. „Es ist eine Patt-Situation. Umso wichtiger ist, dass die Eltern jetzt kooperieren.“ Die Mitarbeiterin des Justizministeriums beendet das Telefonat mit einem Appell: „Beide müssen erkennen: als Frau und Mann können sie sich trennen, aber Eltern bleiben sie bis zum Ende ihrer Tage.“

Auswärtiges Amt –
Auf direkte Hilfe aus Deutschland kann Thomas Karzelek nicht zählen. Man sei informiert, dass Lara gefunden wurde, erklärt das Auswärtige Amt in Berlin. „Das Generalkonsulat hat sich mehrfach beratend mit Herrn Karzelek unterhalten und Hilfe bei der Kommunikation mit den polnischen Stellen angeboten.“ Generell aber gilt: die deutsche Justiz oder Polizei hat in Polen keine Befugnisse. Zwar ist das Sorgerechtsurteil aus Ludwigsburg auch in Polen bindend. Aktiv werden können aber nur die polnischen Behörden.

Mediation –
Mit der Globalisierung nimmt das Problem grenzüberschreitender Kindesentziehungen zu, exakte Zahlen gibt es nicht. Mediationen gelten als geeignetes Mittel, Auswege zu finden. Mehrere Länder, darunter auch Deutschland und Polen, haben sich auf Grundlagen für den Prozess geeinigt. So muss im Fall Lara ein Mediator aus Deutschland und der andere aus Polen stammen.