Algerische Terroristen drohen, einen am Sonntagabend in der nordalgerischen Kabylei verschleppten französischen Bergführer zu töten, wenn Paris im Irak nicht den Rückzug antritt. Die Nation steht unter Schock.

Paris - Fast schon gebetsmühlenartig hat die Regierung die Franzosen in den vergangenen Tagen darauf hingewiesen, dass mit den Angriffen der Luftwaffe auf Stellungen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) die Gefahr von Anschlägen wachse. Aber jetzt, da sich dies bewahrheitet, stellt sich heraus: auf Terror kann man sich nicht wirklich vorbereiten. Die Nation wirkt geschockt.

 

Das Opfer, der von den „Soldaten des Kalifats“ (Dschund al-Khilafa) am Sonntagabend in der nordalgerischen Kabylei verschleppte Bergführer Hervé Gourdel, taugt zur Identifikationsfigur. Porträtfotos und Lebenslauf weisen den 55-jährigen Vater zweier Kinder als Naturburschen aus, sportlich gestählt, kontaktfreudig, abenteuerhungrig. Ob in Tageszeitungen, sozialen Netzwerken oder Fernsehnachrichten: das Konterfei des aus Nizza stammenden Mannes mit dem vom Winde verwehten schlohweißen Haar ist allgegenwärtig. Abgrenzung fällt schwer, das Mitgefühl ist groß.

Dringliche Aufrufe der Regierung

Allgegenwärtig ist in den Medien auch das am Montag ins Internet gestellte Video der Entführer. Vermummte, Kalaschnikows tragende „Soldaten des Kalifats“, einer Mitte Juli von „Al-Kaida im Islamischen Maghreb“ zum IS übergelaufenen Terrorgruppe, kündigen darin die Ermordung ihrer Geisel an. Sollte Paris seine Angriffe auf Stellungen des IS im Irak nicht binnen 24 Stunden beenden, wollen sie Gourdel die Kehle durchschneiden. Dass sich Frankreichs Regierung von Terroristen nicht erpressen lassen kann, versteht sich von selbst. Die Luftangriffe würden selbstverständlich weitergehen, sagte Frankreichs Premier Manuel Valls bei einem Berlinbesuch. Es werde keinerlei Diskussion, keine Verhandlungen geben. Zugleich appellierte die Regierung an die Franzosen in etwa 30 Ländern, darunter Marokko, Tunesien, Jemen und Mali, größte Vorsicht walten zu lassen.

Der Aufruf erschien umso dringlicher, als ein IS-Sprecher nach der Entführung Gourdels dazu aufgerufen hatte, Bürger aller an der Koalition gegen den IS beteiligten Staaten umzubringen – an erster Stelle Amerikaner und Franzosen. Das Schicksal des Bergführers lag am Dienstag damit in den Händen der französischen und vor allem der algerischen Sicherheitskräfte. Frankreich und Algerien arbeiteten auf allen Ebenen zusammen, um den Verschleppten zu befreien, teilte ein Sprecher des Elysée-Palasts mit. Die Ohnmacht des Staates gegenüber dem Terror ist schwer zu ertragen. Die bisher geschlossen hinter Präsident François Hollandes Kampf gegen den IS stehende öffentliche Meinung hat am Dienstag erste feine Risse bekommen. Im Radiosender „France Info“ wurde die Frage laut, ob Frankreich wirklich mit vier Rafale-Jägern im Irak Flagge zeigen müsse, ob es nicht vorrangig Aufgabe der Golfstaaten sei, in der arabischen Welt für Ordnung zu sorgen. An diesem Mittwoch wollen die Abgeordneten der Nationalversammlung über das militärische Engagement im Irak debattieren.

Gourdel war am Samstag in die etwa 100 Kilometer östlich von Algier gelegene Kabylei aufgebrochen, wo er mit algerischen Freunden anderthalb Wochen wandern und klettern wollte. Am Sonntag hatte er sich telefonisch bei seiner 82-jährigen Mutter gemeldet und angekündigt, in den nächsten beiden Tagen womöglich nicht immer erreichbar zu sein. Neben den nahe Nizza gelegenen See-Alpen hatte der auch als Ausbilder und Fotograf tätige Franzose das marokkanische Atlasgebirge erkundet. Die Kabylei freilich war Neuland für ihn. Der Bergführer wollte herausfinden, ob es sich lohnen würde, in Zukunft auch dort Touren anzubieten.