Honeywell will Mitarbeiter entlassen – nicht zum ersten Mal. Betroffen sind mehrere Standorte in Deutschland. In Schönaich sollen von einst 700 noch 200 Beschäftigte bleiben. Der Betriebsrat befürchtet gar die baldige Schließung des Werks.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Schönaich - Im Wirtshaus Rose, Schönaich, versammeln sich Verlierer der Globalisierung. Dies ist ein Protest im Nebenzimmer, organisiert für die Presse. 20 Frauen und Männer sitzen hier, um ihren Arbeitgeber zu schmähen: die Firma Honeywell. Deren Schönaicher Werk liegt wenige Schritte entfernt, eines von 300 weltweit. Der Konzern will Mitarbeiter entlassen. Gut 50 Kollegen seien in Schönaich betroffen, hieß es bei der Betriebsversammlung. Der Betriebsrat hält den Standort für gefährdet.

 

Für Honeywell gibt Matthias Wowtscherk Auskunft. Der Firmensprecher sagt, er könne keine Fragen beantworten, nur weiterleiten. Damit gibt er einen Blick frei auf die Kernfrage: Wer hat wo, was und warum entschieden in dem Weltkonzern, der mit 130 000 Mitarbeitern so gut wie alles herstellt, vom Flugzeugteil bis zum Feuermelder? In der Betriebsversammlung sei keine Frage beantwortet worden. Thomas Arenz, ihrem Geschäftsführer vor Ort, sind die Versammelten nicht Gram. Er entscheide nicht. Aber wer? Wowtscherk arbeitet für Weber Shandwick. Die New Yorker PR-Agentur gibt weltweit Auskunft im Namen von Firmen, Wowtscherk von Berlin aus.

Die Arbeitsplätze sollen nach Indien und Ungarn verlagert werden

Die Gewinner der Globalisierung sitzen in diesem Fall in Indien und Ungarn. Dorthin sollen die Schönaicher Arbeitsplätze verlagert werden, die Entwicklung und Teile der Produktion. Im Katalog stehen Geräte, deren Namen nur Fachkundige zu deuten wissen. Differenzdruckschalter und Kapillarrohr-Thermostate zählen dazu.

Man duzt sich im Nebenzimmer der Rose. Mit einer Ausnahme arbeiten alle im Raum seit mindestens 25 Jahren zusammen, manche seit der Lehre. Theoretisch schützt sie der Tarifvertrag vor Kündigungen, altershalber, praktisch nicht. Der Betriebsrat beziffert das Durchschnittsalter mit 52,5 Jahren. Es gibt schlicht zu wenige Junge, die entlassen werden könnten. Ihr Standort darbt schon lange. „Seit zehn Jahren ist so gut wie niemand mehr eingestellt worden“, sagt Markus.

1984 hatte Honeywell ihren damaligen Arbeitgeber geschluckt, Centra-Bürkle, 1999 schluckte wiederum Allied Signal Honeywell. Die bevorstehende Entlassungswelle ist keineswegs die erste, aber „früher hat man wenigstens einen Sinn erkennen können“, sagt Albrecht. Jeder versteht, dass Geld gespart ist, wenn zehn Kleinlager zu einem zentralen vereint werden. Diesmal kann keiner eine Ersparnis erkennen.

Große Teile des Werkes stehen bereits leer

Tatsächlich verwundert es weniger, dass das Werk gefährdet erscheint, mehr, dass es noch besteht. Für gut 700 Arbeitsplätze ist es 1989 erbaut worden. Etwa 250 sind noch übrig. Die freie Fläche steht schlicht leer. „Der Abbau war in kleinen Schritten“, sagt Markus, „außer 2009, das war die Wende“. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise tat Honeywell, was amerikanische Konzerne in Krisenzeiten tun: Weltweit mussten Mitarbeiter gehen, in Schönaich 150.

Zurzeit herrscht zwar das Gegenteil von Krise, aber Honeywell bastelt wieder einmal an den Konzernstrukturen, wieder in kleinen Schritten. In Maintal sollen Teile der Produktion aufgelöst werden, in Hameln ein ganzer Standort, in Raunheim die Logistik. Nicht nur Deutschland ist betroffen. Im italienischen Atessa wendeten 380 Arbeiter mit einem zweimonatigen Streik die Schließung ihres Werkes ab.

„Arbeitsniederlegungen will man natürlich nicht“, sagt Gerhard. Im Zweifel, ja, aber derzeit ruhe die Hoffnung auf Verhandlungen. Die IG-Metall-Funktionärin Britta Cartarius führt sie. Der erste Erfolg ist, dass die Kündigungen noch nicht verschickt sind. Das eigentliche Ziel ist ein Zukunftskonzept, wie der Standort bis mindestens 2025 erhalten werden kann. Die Frage bleibt, wem im Weltkonzern es zur Entscheidung vorgelegt werden könnte.

Die Fragen nach Berlin, an den Unternehmenssprecher, scheint Honeywell verschlungen zu haben. Bis zum Redaktionsschluss fehlt jede Antwort. Bei der IG Metall in Stuttgart sagt niemand etwas zu Honeywell, auch keiner der drei Geschäftsführer. Zuständig sei Cartarius. Telefonisch ist die Gewerkschafterin nicht zu erreichen. Nachrichten beantwortet sie nicht.