Der Brandschutz beim S-21-Tiefbahnhof kommt wieder in die Diskussion. Die Stadt erkennt laut OB Kuhn Fortschritte, die S-21-Kritiker halten das Konzept für nicht genehmigungsfähig. Noch gibt es Gespräche.

Stuttgart - Alles im Griff – das ist das Signal gewesen, das die Beteiligten der S-21-Lenkungskreissitzung Anfang November zum lange zwischen Stadt und Bahn kontrovers diskutierten Brandschutz im neuen Tiefbahnhof aussandten. Dabei geht es um die Fragen, ob und wie schnell der Rauch beim Brand eines Zuges abzieht, ob die Menschen rechtzeitig die Bahnsteighalle verlassen können und wie die Feuerwehrleute und Rettungsdienste an den Einsatzort kommen. Zwar sei noch nicht alles endgültig geprüft, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), doch man befinde sich auf einem guten Weg.

 

Das sehen die S-21-Kritiker ganz anders. „Das Konzept erweist sich als unzureichend und in wesentlichen Teilen grob fehlerhaft. Der Nachweis der sicheren Entrauchung der Tiefbahnsteighalle sowie der Zulauftunnel ist damit nicht erbracht“, heißt es in einem Schreiben der Ingenieure 22 an das Eisenbahn-Bundesamt (Eba), das der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Die Behörde soll das Brandschutzkonzept im nächsten Jahr genehmigen. Die Bahn verweist auf „sehr konstruktive Gespräche“ mit dem Eba. „Wir sind zuversichtlich, die aktualisierten Pläne Anfang nächsten Jahres der Öffentlichkeit präsentieren zu können“, sagt ein Projektsprecher. Über Details wolle man sich erst äußern, wenn „im Genehmigungsprozess Einvernehmen erzielt ist.“

S-21-Kritiker erhalten Gutachten der Bahn

Zumindest einen Teil der Unterlagen haben Vertreter der S-21-kritischen Ingenieure 22 aber bereits gesehen. Sie haben im Zuge des Umweltinformationsgesetzes (UIG) das von der Bahn beim Eba eingereichte Gutachten für die Entrauchungsanlagen Mitte Oktober zugeschickt bekommen. „Wir haben darin eine Vielzahl technischer und formaler Fehler gefunden“, bilanziert Hans Heydemann, der sich damit detailliert in einer 43-seitigen Bewertung beschäftigt, die er dem Eba geschickt hat und die auf den Montagsdemonstrationen Thema war. „Das beantragte Brandschutzkonzept ist so nicht genehmigungsfähig. Der Tiefbahnhof und auch die Zulauftunnel können so nicht gebaut werden“, meint Heydemann.

In der Bewertung listet der pensionierte Ingenieur zahlreiche Ungereimtheiten auf. Zentraler Punkt ist, dass die Entrauchungsbauwerke (EBW) an der Prag, an der Heilbronner Straße und am Südkopf des Tiefbahnhofs nicht so funktionierten, dass sie im Brandfall den Rauch aus der Bahnsteighalle und den Tunneln blasen könnten. In den EBW im Norden sei beispielsweise ein Wechselbetrieb Zuluft/Absaugung mittels einer Drehzahlumkehr geplant, was nach Ansicht Heydemanns „technisch so nicht umsetzbar“ ist. Für getrennte Gebläse, die eigentlich nötig seien, sei aber nicht genügend Platz in den Gebäuden, die zudem viel zu niedrige Lüftungsschächte hätten.

Funktioniert die Technik?

Im südlichen Entrauchungsbauwerk an der Willy-Brandt-Straße werde eine Technik (entweder Schub- oder sogenannte Saccardodüsen) empfohlen, deren Wirksamkeit zweifelhaft sei, bewertet Heydemann. Der Einsatz der Düsen und weitere Maßnahmen sind aus seiner Sicht ungeeignet, um die Gegenröhren wirklich rauchfrei zu halten, in die die Fahrgäste aus einem brennenden Zug flüchten sollen.

Auch der Nachweis, dass die Entrauchung der Bahnsteighalle klappt, sei nicht erbracht. Heydemann: „Angesichts der vielen vorhandenen Öffnungen der Halle ist ein gezieltes Abdrängen des Rauches über die Abzugsöffnungen in den Lichtaugen nicht zu erreichen; die dafür notwendige gerichtete Luftströmung wird sich nicht einstellen“. Heydemann glaubt deshalb, dass die Bahnsteighalle stärker verraucht wird als im Konzept angenommen. Das gefährde die Passagiere. Auch Christoph Engelhardt von der S-21-kritischen Wikireal-Plattform moniert seit Jahren, dass nicht ausreichend Zeit bleibe und nicht genügend Platz zur Verfügung stehe, damit nach einem Brand alle Menschen die Bahnsteighalle rechtzeitig verlassen können.

Bahngutachter sprechen von „machbarem System“

Die Gutachter der Bahn kommen zu gänzlich anderen Ergebnissen. Sie sprechen in ihrer bisher nicht veröffentlichten Bewertung, die der StZ vorliegt, von einem „machbaren System“ und erklären: „Die Entrauchungsziele können erfüllt werden.“ Die Entrauchungsbauwerke könnten die geforderte Zuluft in die Bahnsteighalle fördern, zumal es noch „deutliche Leistungsreserven“ gebe. Auch in den Tunneln könne praktisch ausgeschlossen werden, dass Rauch in eine Röhre ströme, in der es nicht brenne. Allerdings empfehlen die Gutachter, Teile des Systems – beispielsweise Querstollen und Kamine – größer zu dimensionieren als bisher vorgesehen.

Auch die städtische Branddirektion erklärt in einem Brief, dass das Gutachten nachweise, dass „eine grundsätzliche Machbarkeit des Entrauchungskonzepts gegeben ist – insbesondere die Rauchfreihaltung der jeweiligen parallelen ,sicheren‘ Röhre“. Dies stelle eine Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Rettungskonzept dar. Momentan würden mit der Bahn „bauliche Anpassungen“ an den EBW besprochen. Mit der von der Bahn erst im Sommer avisierten Verlegung der Fluchttreppenhäuser an den Rand der Bahnsteighalle beschäftigt sich das Gutachten, das im November 2014 fertig wurde, nicht. Auch darüber gibt es Gespräche mit dem Eba und der Stadt. Laut Kuhn habe eine erste Prüfung ergeben, dass auch dann die Maximalzahl von 16 164 Passagieren in gleicher Zeit rechtzeitig den Bahnhof verlassen können. Eine „abschließende Simulation“ soll bis zum Frühjahr vorliegen.

Kuhn sieht beim Brandschutz Fortschritte

Grundsätzlich sieht Kuhn beim Brandschutz „ziemliche Fortschritte“. So seien die Löschwasserleitungen im Fildertunnel auf Drängen der Stadt ständig mit Wasser versorgt – im Übrigen wie die anderen Tunnel aus Pumpstationen im neuen Tiefbahnhof. „Die kritischen Einwände unserer Feuerwehr werden von der Bahn aufgenommen“, sagte Kuhn.