Nach einer monatelangen Debatte hat der Gemeinderat in Lahr entschieden: Es wird keine Munitionsfabrik der Firma Galtech auf dem Flugplatzgelände geben.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Lahr - Die Entscheidung des Lahrer Gemeinderats ist deutlicher ausgefallen als erwartet: Mit 20 zu 13 Stimmen votierte das Gremium am Montagabend gegen die Ansiedlung einer Munitionsfabrik der Firma Galtech auf dem Flugplatzgelände.

 

Die Fraktionen von SPD, Grünen und Linker Liste stimmten geschlossen dagegen, die FDP war dafür. In den Reihen der CDU und der Freien Wähler herrschte keine Einigkeit – jeweils drei Fraktionsmitglieder beider Parteien votierten gegen die Munitionsfabrik. „Es gab innerhalb der Fraktion sehr intensive, sachliche Diskussionen“, berichtet Eberhard Roth, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, die im Lahrer Gemeinderat mit sieben Sitzen vertreten sind. Auch in der CDU sei intensiv debattiert worden, sagt Hansjakob Schweickhardt, der gegen die Munitionsfirma gestimmt hat, weil er einen Imageschaden für die Stadt befürchtet. „Es gab keinen Fraktionszwang, die Vorsitzende hat die Entscheidung der einzelnen Mitglieder respektiert.“

Dem Beschluss des Gemeinderats war eine monatelange Debatte vorausgegangen. Auf dem Flugplatzgelände waren bis 1994 kanadische Streitkräfte stationiert, danach wurde dort ein Industrie- und Gewerbegebiet errichtet, das vorwiegend verschiedene Logistikunternehmen nutzen. Gegner der Munitionsfabrik befürchteten durch die Ansiedlung der Firma Galtech eine Remilitarisierung des Gebiets.

Badische Landeskirche hat gewarnt

Das Friedensforum Lahr hat 1304 Unterschriften gegen die Munitionsfirma gesammelt und wurde von der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ unterstützt. Deren Bundessprecher Jürgen Grässlin zeigt sich zufrieden mit dem Ergebnis der Abstimmung: „Es ist noch deutlicher ausgefallen als erhofft“, sagt er. Grässlin bewertet die Entscheidung als Signal: „Die Schweizer Firma Saltech, deren Tochter Galtech ist, sollte sich hüten, an einem anderen Ort in Deutschland einen zweiten Anlauf zu nehmen – mit dem Rückenwind von Lahr werden wir auch diesem Unterfangen massiv entgegentreten.“ Er glaubt nicht, dass die in Lahr produzierte Munition ausschließlich an deutsche Sicherheitskräfte gegangen wäre: „Mittelfristig ging es Saltech offenbar auch darum, mit einer skrupellosen Rüstungsexportpolitik die Tür zu öffnen, um massenhaft Munition in die Krisen- und Kriegsgebiete des Nahen und Mittleren Ostens und Südostasiens liefern zu können. Dies belegt nachdrücklich die hemmungslose Werbestrategie auf der Rüstungsmesse IDEX in Abu Dhabi und die Vertriebsfirma Myaltech in Kuala Lumpur/Malaysia.“

Ähnliche Bedenken hat auch die Badische Landeskirche geäußert, die sich seit einem Beschluss der Badischen Landessynode stärker als Kirche des gerechten Friedens profilieren will: Aus andernorts vielfach belegter Erfahrung sei zu befürchten, dass die Munition „über kurz oder lang in unkontrollierbaren gewaltsamen Konflikten in Krisengebieten weltweit zum Einsatz käme.“ Der frühere Lahrer Dekan und heutige Oberkirchenrat Matthias Kreplin freut sich daher über das Votum des Gemeinderats: „Das war im Vorfeld nicht sicher.“

Oberbürgermeister war für die Munitionsfabrik

Der Lahrer Oberbürgermeister Wolfgang Müller hat die Ansiedlung der Firma Galtech befürwortet: „Es gäbe zwar keine Garantie, dass aus der Lahrer Produktion nur deutsche Sicherheitskräfte beliefert würden. Aber, wer Missbrauch vorbeugen und verhindern will, sollte dafür sorgen, dass die Produktion von Munition für die Bundeswehr und Polizei in Deutschland stattfinden kann“, argumentierte der OB. Durch die Genehmigungs- und Kontrollmechanismen der Bundesrepublik bestünden immerhin wirkungsvolle Vorkehrungen, um eine unrechtmäßige Verbreitung von Munition zu vermeiden. Müller zufolge hätte die Ansiedlung einen aktiven Beitrag zur inneren und äußeren Sicherheit Deutschlands leisten können. Gleichwohl zeigt der Oberbürgermeister Verständnis für die Entscheidung des Gremiums: „Man wollte nicht das Gefühl haben, an irgendeinem bewaffneten Konflikt beteiligt zu sein. Diese Haltung respektiere ich“, teilte er über eine Sprecherin mit.

Die Zweckverbandsversammlung, in der Lahr einen Anteil von 45 Prozent hat, muss nun noch über die Ansiedlung von Galtech entscheiden. Der Verband ist Eigentümer des Geländes, für das sich das Rüstungsunternehmen interessiert. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass sich die umliegenden Gemeinden am Lahrer Votum orientieren. „Es wäre ein Affront, wenn nicht“, sagt Roland Hirsch, der Fraktionsvorsitzende der SPD. Auch Oberbürgermeister Müller ist sich sicher: „Die Ansiedlung auf einem Grundstück unseres Zweckverbandsareals ist vom Tisch.“

Das Areal ist gefragt

Hirsch sieht im Votum des Gemeinderats einen „epochalen Schritt für die Stadt: Es gibt keinen Militarismus mehr in Lahr.“ Es sei wichtig, die Produktion von Waffen weltweit einzudämmen – auch wenn das Aus für eine Munitionsfabrik in Lahr nur ein kleiner Beitrag dazu sei. Der Fraktionsvorsitzende hat, wie viele seiner Kollegen, mit einem knapperen Ergebnis gerechnet. Wirtschaftlich gesehen, habe die Absage an Galtech keine negativen Auswirkungen, denn die Nachfrage nach Bauplätzen auf dem Flugplatzgelände sei groß.

„Ich sehe keinen Grund, dass die Entwicklung auf dem Areal nicht weitergeht – sie geht eben nur ohne Galtech weiter“, sagt auch Markus Ibert, der Geschäftsführer von „startkLahr“, dem Airport & Business Park auf dem Flugplatzgelände, der die Ansiedlung der Munitionsfabrik unterstützt hat. „Weitere Anfragen liegen uns vor.“