Der Göppinger Kreistag erlaubt eine höhere Verbrennungsmenge im Müllmeiler. Kritiker sorgen sich um die Folgen der Gesamtbelastung durch Emissionen.

Region: Corinna Meinke (com)

Göppingen - Die Entscheidung ist gefallen: Vor vollem Haus haben die Göppinger Kreisräte auf Schloss Filseck in Uhingen die künftige Verbrennungsmenge des Müllheizkraftwerks festgelegt. Die Abstimmung am Freitag war mit Spannung erwartet worden. Nach einer knapp vierstündigen Diskussion folgte das Gremium mit 29 Pro- zu 23 Neinstimmen sowie vier Enthaltungen dem Vorschlag der Verwaltung, dem privaten Betreiber des Müllheizkraftwerks Energy from Waste (EEW) eine Erhöhung der Verbrennungsmenge von rund 168 000 auf künftig 180 000 Tonnen pro Jahr zu erlauben. Zudem wird die Vertragslaufzeit um zweieinhalb Jahre verlängert.

 

Eine hitzige Diskussion über fast vier Stunden

Die zeitweise hitzig geführte Debatte wurde von rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörern verfolgt, teils im Saal, teils via Lautsprecher im Innenhof. Redebeiträge der Kreisräte wurden lautstark kritisiert und mit Pfiffen quittiert, wenn Befürworter der Erhöhung des Mülldurchsatzes sprachen. Zu einem Wortgefecht kam es zwischen Nicole Razavi (CDU) und Christian Stähle (Linke). Mehrfach forderte der Landrat Edgar Wolff (Freie Wähler) die Zuhörer auf, sich zu mäßigen und einen sachlichen Austausch zu ermöglichen.

Bis zur Abstimmung war unklar, wie und ob sich die Kreisräte von den Gegnern der größeren Verbrennungsmenge beeindrucken lassen würden. Der Göppinger Gemeinderat hatte eine Resolution gegen die Linie der Kreisverwaltung verabschiedet, am Freitag gab es in Göppingen eine Protestkundgebung mit rund 800 Teilnehmern, und eine Bürgerinitiative hatte Unterschriften gesammelt. In den vergangenen Wochen waren Beobachter von einer großen Mehrheit für den Zuschlag ausgegangen. Tatsächlich legte auch die CDU als größte Kreistagsfraktion ein deutliches Bekenntnis für das Vertragswerk ab. Lediglich der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till (CDU) und der Göppinger CDU-Fraktionssprecher Felix Gerber zeigten dem Verwaltungsvorschlag die Rote Karte. Dazu kamen noch zwei Enthaltungen aus der CDU-Kreistagsfraktion.

Die Kreisräte stimmen namentlich ab auf Antrag der Grünen

Nur die Grünen, die vor gut einem Jahr erreicht hatten, dass es keinen übereilten Beschluss im Kreistag gab und diesmal eine namentliche Abstimmung, und die FDP hatten angekündigt, den Änderungsvertrag abzulehnen. Am Ende gab es selbst bei den Freien Wählern mehr Kreisräte gegen als für das Vertragspaket, wenige Neinstimmen bei der SPD und ein Nein des Linke-Kreisrats Christian Stähle, der sagte, er wolle kein zusätzliches Gramm mehr im Ofen verbrennen lassen.

„Wir alle sind einer Vielzahl von Belastungen ausgesetzt“, warnte Martina Zeller-Mühleis (Grüne), es gehe nicht nur um Dioxin an einzelnen Messpunkten. Trotzdem sei der Durchsatz im Müllofen über Jahre erhöht worden. Solange nicht alle Zweifel in puncto Emissionen ausgeräumt seien, könne man nicht davon sprechen, dass das Ganze nicht gesundheitsschädlich sei. Eine echte Lösung sei nicht die Verbrennung, sondern eine Kreislaufwirtschaft aus Müllvermeidung und Wiederverwertung, ergänzte ihre Kollegin Ursula Bader. Auch der CDU-Kreisrat Rainer Staib sagte, nicht die Entsorgung des Mülls sei das Problem, sondern seine Entstehung. Überdies sei Kirchturmpolitik auch keine Lösung, denn der Kreis lasse die Verbrennungsreste Staub und Schlacke andernorts entsorgen. Zuvor hatte Staib heftige Reaktionen und Pfui-Rufe geerntet, als er sagte, die Mengenerhöhung ergebe keine nennenswerte Erhöhung der Schadstoffe.

Kritik an schwammigen Formulierungen

Auf Initiative von Werner Stöckle (Freie Wähler), der schwammige Formulierungen kritisierte, wurde am Abend nachgebessert und eine maximale Müllmenge pro Tag im Vertrag fixiert. Und bei den Stickoxiden verpflichtet sich der Betreiber EEW, den Tagesmittelwert auf 65 Milligramm zu senken. Erlaubt seien 159 Milligramm, erklärte der EEW-Chef Bernhard Kemper.

Der Landrat Wolff sagte erneut, er sehe keine Belege für eine erhöhte Belastung für die Bevölkerung und die Umwelt. Zudem erreiche EEW die künftige Durchsatzmenge nur in den Jahren, in denen der Müllofen nicht wegen Revision stillstehe. Dadurch ergebe sich eine durchschnittliche Erhöhung von 10 000 Tonnen pro Jahr. Der Göppinger Oberbürgermeister Till konterte diesen Satz: „Ihre Rechenspiele sind völlig bedeutungslos, selbst diese Erhöhung wird von Göppingen strikt abgelehnt.“

„Wir sind nicht umgefallen, sondern werden das Ziel mit zweieinhalb Jahren Verzögerung erreichen“, entgegnete Susanne Widmaier (SPD) auf die Kritik der Gegner. Das Ziel ist die Rekommunalisierung des Müllofens. Die Kreisverwaltung müsse die Zeit nutzen, um die Chancen dafür zu prüfen. Weil es um die Daseinsvorsorge gehe, gehöre die Müllverbrennung in kommunale Hand.