Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim will im Herbst die Frage klären, wie sicher Kabul und andere Regionen in Afghanistan sind. Dabei geht es um den Schutz junger Männer und von Familien.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Mannheim - Die Rechtssprechung der Verwaltungsgerichte in Sachen Afghanistan und den Abschiebungen dorthin kommt auf den Prüfstand. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) wird im Herbst mehrere Fälle aus Baden-Württemberg verhandeln, in denen Asylgesuche afghanischer Antragsteller vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und durch die zuständigen Verwaltungsgerichte abgelehnt worden sind. Berufungsverhandlungen sind nur dann möglich, wenn die höhere Instanz, also der VGH, dem Fall grundsätzliche Bedeutung für die Rechtssprechung beimisst.

 

„Wir haben 29 Fälle zur Berufung zugelassen“, sagt Stephan Beichel-Benedetti, der dem Senat angehört. Es seien Fälle, in denen es um die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus oder des subsidiären Schutzes laut Asylgesetz oder des nationalen Abschiebungsverbots laut Aufenthaltsgesetz gehe. Die Rechtsprechung des VGH weist wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Theoretisch ist eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig möglich, in der Praxis ist das jedoch unwahrscheinlich.

„Wir prüfen beispielsweise, wie sicher Kabul und andere Regionen sind und ob man sich dort mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten kann“, sagt Beichel-Benedetti. Letzteres stufen viele Gerichte in ihren Urteilen für möglich ein. Um diese Fragen beantworten zu können, werten die Richter um die 300 Erkenntnisquellen aus.

VGH prüft 29 Einzelfälle

Die Bandbreite der Fälle, die der VGH zur Entscheidung angenommen hat, ist ein Hinweis, dass seine Entscheidungen viele Fallkonstellationen abdecken werden. In mehreren Fällen geht es um die Gruppe der jungen, gesunden und arbeitsfähigen Männer, deren Abschiebung gemeinhin als unproblematisch gilt. Die Richter prüfen im Fall eines jungen Mannes, der der Volksgruppe der Hazara angehört, ob ihm „im Hinblick auf die aktuelle allgemeine Sicherheitslage und die Möglichkeiten der Existenzsicherung interner Schutz zur Verfügung steht“. Es geht aber auch darum, ob eine sechsköpfige Familie in Kabul „eine reale Chance hat, eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden.“

Das Auswärtige Amt hat für Ende des Monats einen neuen Lagebericht für Afghanistan angekündigt. Bis dahin gilt ein Abschiebestopp. Die für 26. Juli angesetzte Sammelabschiebung hat das Bundesinnenministerium abgesagt. Einzelabschiebungen, heißt es, seien davon ausgenommen. Baden-Württemberg hat in den ersten sechs Monaten des Jahres elf Personen nach Kabul abgeschoben. Zudem überstellt das Bundesland nach Auskunft einer Sprecherin des Innenministeriums afghanische Staatsbürger im Rahmen des Dublin-Verfahrens an andere EU-Länder. In den Kosovo wurden 534, nach Albanien 296, nach Mazedonien 261, nach Serbien 205, nach Algerien 52, nach Georgien 37, nach Tunesien 27 Personen abgeschoben.

– Wie sicher ist Afghanistan?