Alte Elektrogeräte im Abfall verursachen immer wieder Brände. Der Abfall-Unternehmer Eric Schweitzer warnt: Deutschland hat hier ein großes Problem – und tut viel zu wenig zur Abhilfe.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Eric Schweitzer ist Chef des Abfall- und Recyclingunternehmens Alba, das bundesweit aktiv ist. Es landeten zu viele Handys, Laptops und andere Elektrogeräte ungenutzt auf dem Müll, sagt der Berliner Unternehmer im Interview – und gibt Tipps, wie es besser gehen könnte.

 

Herr Schweitzer, im Sommer gab es mehrere Brände bei Entsorgungsfirmen – auch in Baden-Württemberg. Altpapier oder Verpackungsabfälle fingen Feuer, ganze Lagerhallen wurden zerstört. Was ist da los?

Die Ursache für die Brände waren jeweils die Akkus falsch entsorgter Elektrogeräte. Die Menschen werfen ihre alten Handys oder Laptops vermehrt und verbotenerweise in die schwarze, gelbe und sogar in die blaue Tonne. Aus Unwissenheit, Faulheit oder Absicht. Deutschland steht hier vor einem großen Recyclingproblem, das tatsächlich brandgefährlich ist – und größer wird.

Die Menschen nutzen immer mehr Elektronikgeräte, damit wächst die Menge an Elektroschrott sehr stark an. Wie lässt sich dafür sorgen, dass nicht alles ungenutzt auf dem Müll landet?

Die Europäische Union hat bereits im Jahr 2003 eine Sammelquote eingeführt, um das Recycling von elektronischen Abfällen zu forcieren. Diese Sammelquote von 45 Prozent des Abfallstroms kann in vielen Ländern allerdings nicht erreicht werden. Auch in Deutschland nicht: Zu wenige Altgeräte werden vom Konsumenten richtig entsorgt, zu viele landen weiter in der Restmülltonne. Oder beim Altpapier oder bei den Verpackungsabfällen, wo sie dann in Brand geraten, wenn Müllpresse oder Sortiermaschinen beispielsweise den fest verbauten Akku eines weggeworfenen Handys beschädigen.

Also zeigt die Sammelquote wenig Wirkung . . .

Ziel der EU-Sammelquote wäre es, mehr Altgeräte einzusammeln, um wertvolle Metalle und andere Rohstoffe aus Smartphones, Laptops oder auch alten Toastern und Wasserkochern zu recyceln. Im deutschen Elektrogerätegesetz wurde die Quote im Jahr 2019 sogar von 45 auf 65 Prozent erhöht. Tatsächlich aber hat die Bundesrepublik zwischen den Kalenderjahren 2018 und 2020 nie das festgelegte Sammelziel erreicht. Die Sammelquote stagniert laut Umweltbundesamt und Statistischem Bundesamt in den letzten Jahren bei etwa 44 Prozent. Die Kernfrage hier ist: Wer überwacht das Ganze wirksam? Wenn heute die Sammelquote auf EU-Ebene nicht erreicht wird, dann passiert: nichts!

Seit Januar 2022 können Verbraucher ihre defekten und ausrangierten Geräte auch im Discounter und Supermarkt zurückgeben. Funktioniert wenigstens das?

Die betroffenen Geschäfte hatten bis Juli 2022 eine Übergangszeit, diese Regelung umzusetzen. Stichproben von Alba zeigen, dass kaum ein Discounter Rückgabestellen für die Kunden eingerichtet hat. An den meisten Mitarbeitern in Discountern und Supermärkten ging die Rücknahmepflicht vorbei. Ähnlich geht es wahrscheinlich auch dem Endverbraucher.

Woran liegt das?

Für die neue Rückgabemöglichkeit wurde und wird noch immer nicht geworben. Arbeitet man nicht in der Abfallbranche oder benachbarten Berufsfeldern, wird man kaum etwas von der Rückgabereform mitbekommen haben. Die ursprüngliche Idee, das Rückgabenetz für E-Schrott zu erweitern, ist ein guter Ansatz. Damit die Umsetzung gelingt, müssen Händler aber mehr in die Pflicht genommen und Filialleiter der Discounter zu Rückgabestellen gedrängt werden. Letztendlich muss auch der Endverbraucher die neue Rückgabemöglichkeit vermittelt bekommen. Andernfalls tut sich nichts.

Als Alternative gibt es aber für die Verbraucher immer noch die kommunalen Wertstoffhöfe, wo man seinen Elektromüll abgeben kann.

Das ist zwar im Prinzip richtig, aber viele Kommunen machen es ihren Bürgern extra schwer: Wertstoffhöfe sind heute wegen kurzer Öffnungszeiten und räumlicher Entfernung kein attraktiver Abgabeort. Die Folge: Über 140 000 Tonnen E-Schrott landen laut Naturschutzbund jährlich fälschlicherweise und brandgefährlich im Restmüll. Außerdem schlummern mehr als 200 Millionen nicht mehr funktionstüchtige Smartphones in deutschen Schubladen, so der Branchenverband Bitkom, und damit Tausende Tonnen an Kobalt, Gold, Kupfer und anderer wertvoller Rohstoffe.

Gibt es andere Länder in Europa, in denen das Recyclingsystem besser funktioniert?

Wie es gehen könnte, zeigt einer unserer Nachbarn: Die Schweiz erzielte im Jahr 2019 eine E-Schrott-Sammelquote von insgesamt 95 Prozent. Besonders auffällig: das dichte Abgabenetz für den Elektroschrott. Über 600 offizielle Sammelstellen stehen dem Endkonsumenten für die Rückgabe von Altgeräten zur Verfügung. Hinzu kommen über 6000 Rückgabepunkte im Handel. Zudem zahlen die Endkonsumenten in der Schweiz bei Kauf eines neuen Elektrogeräts eine vorgezogene Recyclinggebühr. Diese sorgt dafür, dass bei der Entsorgung alter Geräte keine separaten Kosten anfallen.

Abfallunternehmer

Alba-Chef
Eric Schweitzer, geboren 1965, ist Inhaber und CEO der Berliner Alba Group, eines der führenden Umweltdienstleisters und Rohstoffversorgers Europas mit rund 1,3 Milliarden Euro Jahresumsatz und 5400 Mitarbeitern.

Verband
Schweitzer war von 2013 bis 2021 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) und ist seit 2021 Ehrenpräsident des DIHK und der IHK Berlin. pö