Amazon ist mit seinem Lautsprecher Echo beim Thema Sprachsteuerung im smarten Heim vorgeprescht. Google will nun aufholen – und setzt auf seine Kompetenz beim Thema künstliche Intelligenz.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Fragen in ganz normalen Sätzen verstehen und beanworten – dies ist das große visionäre Ziel seitdem Google vor 18 Jahren die Suchmaschine im Internet revolutioniert hat. Ganz so einfach ist die Umsetzung aber nicht, wie jeder schon einmal erlebt hat, der Fragen als ganzen Satz ins Suchfenster eingetippt hat. Doch Spracherkennung ist der Schlüssel, wenn Google im vernetzten Heim der Zukunft so präsent sein will wie am Bildschirm.

 

Und so stand auf der diesjährigen Entwicklerkonferenz I/O am Firmensitz im kalifornischen Mountain View Google Home im Mittelpunkt. Das ist ein etwa grapefruitgroßer kleiner Empfänger und Steuerungsgerät. Dieses Gerät soll es ermöglichen, eine Vielzahl von Funktionen im Haus von der Heizung bis zum Küchenherd durch einfache Sprachkommandos zu steuern. „Wir wollen, dass wir eine wirkliche Konversation führen können“, sagte Google-Chef Sundar Pichai: In beide Richtungen solle die Kommunikation ganz natürlich vonstatten gehen. Ende diesen Jahres soll der smarte Lautsprecher in den USA auf den Markt kommen. Zu welchem Preis sagte Pichai nicht.

Amazons System ist ein riesiger Erfolg

Google, dessen System noch nicht völlig marktreif ist, steht hier unter Zugzwang. Denn Amazon bietet bereits seit dem Sommer 2015 einen in Deutschland bisher noch nicht erhältlichen, smarten Lautsprecher namens Echo an, der genau diese Schlüsselfunktion einnimmt. Amazon gibt bisher keine Absatzzahlen bekannt – aber gelegentliche Lieferengpässe legen nahe, dass das Gerät, dessen Nutzen von Kritikern zunächst bestritten wurde, in den Vereinigten Staaten ein reißender Erfolg ist. Dabei geht es um viel mehr als nur darum, die Knöpfe und Schalter im Haus auf lange Sicht überflüssig zu machen.

Der bereits für 179 Dollar (rund 158 Euro) erhältliche und mit vielerlei smarten Anwendungen zu verknüpfende, smarte Lautsprecher hört bei Sprachkommandos auf den Namen Alexa. Das gleichnamige Tochterunternehmen von Amazon ist ein Dienst, der ursprünglich Daten über Seitenaufrufe im Internet sammelte, um den Nutzern passende, weiterführende Seiten vorzustellen. Echo könnte also zum entscheidenden Zugangspunkt zur digitalen Welt und zum Internet werden. Googles Geschäft ist nichts anderes als die Erfassung zahlreicher Daten. Wer im smarten Haus der Zukunft den Zugriff auf die Kommando- und Steuerungszentrale hat, kommt in eine kommerziell lukrative Schlüsselposition – wenn etwa künftig Waren per Sprachkommando geordert werden. Google will in Zukunft generell weniger auf fremde Inhalte verlinken, sondern nützliche Antworten gleich selber liefern.

Umso gefährlicher für Google ist es, wenn sich ein Rivale in einem solch entscheidenden Lebensbereich zwischen das Internet und die Nutzer schaltet. Auch Apple bietet bei vielen seiner Geräte bereits das Spracherkennungssystem Siri an. Und nicht zuletzt Facebook will seinen Nachrichten-Apps WhatsApp und Messenger ebenfalls die Fähigkeit zur Inhalts- und Sprachanalyse beibringen.

Google will mit seiner Kompetenz bei künstlicher Intelligenz punkten

Google hinkt zwar Amazon beim Markteintritt hinterher, will aber seine strategischen Vorteile nutzen: Für die Muttergesellschaft Alphabet ist die Forschung zum Thema künstliche Intelligenz seit Jahren eines der wichtigsten Felder – und eine Königsdisziplin ist hier die Spracherkennung. Es geht dabei auch um die Fähigkeit, dass ein System selber, ohne menschliche Einwirkung, dazulernen kann.

Bei seiner Vorführung stellte Google sein System noch nicht vor echte Herausforderungen. So zeigte man ein Video, in dem ein Vater per Sprachkommando von einem anderen Raum aus das Licht im Kinderzimmer anschaltet. „Die Vorführbeispiele waren eindrucksvoll, weil sie die technischen Möglichkeiten demonstrierten, aber die Szenarios schienen einfach“, sagte Julie Ask, eine Analystin der Firma Forrester Research dem „Wall Street Journal“.

Doch wenn die Fortschritte bei der Bilderkennung ein Maßstab sind, dürften auch komplexe Fragen auf Dauer kein Problem mehr darstellen. Im vergangenen Jahr, so Google-Chef Pichai habe man dem eigenen Bilderkennungssystem etwa beigebracht in Abbildungen zuverlässig Augenkrankheiten zu erkennen. Teilweise ist die Bilderkennung, die Google etwa für seine ebenfalls vorgestellte neue Nachrichten-App Allo nutzen will, schon besser als der Mensch. „Dinge die man bisher für unmöglich hielt, könnten in der Tat möglich sein“, sagte Pichai.