Ja, es gab einmal ein Internet ohne Google. Und: Google war ein Spätzünder, denn als es 1998 ans Netz ging, hatten andere Anbieter wie Yahoo, Lycos und AltaVista das Geschäft mit der Websuche schon unter sich aufgeteilt.

Stuttgart - Auch wenn es heute schwer vorstellbar ist: Ja, es gab einmal ein Internet ohne Google. Es gab sogar schon Suchmaschinen, als Google kaum mehr als ein vager Gedanke im Kopf seines Gründers Larry Page war. Und: Google war eigentlich ein Spätzünder, denn die Suchmaschine ging erst 1998 ans Netz. Zu dieser Zeit hatten andere Anbieter wie Yahoo, Lycos und AltaVista das Geschäft mit der Websuche bereits unter sich aufgeteilt.

 

„Archie“, so hieß die erste Suchmaschine der Welt. Sie wurde an der McGill Universität in Montreal entwickelt und durchforstete Dateien und Ordner in FTP-Verzeichnissen, jedoch keine Fließtexte.

Mit der Ausbreitung des „World Wide Web“ im Jahr 1993 gingen dann immer mehr Webseiten gingen ans Netz, der Bedarf nach Ordnung im Chaos wuchs. Zwischen 1994 und 1997 schossen unzählige Suchmaschinen aus dem Boden – Lycos, Yahoo, AltaVista, Excite, Fireball, Ask Jeeves – um nur einige zu nennen. „Man kann durchaus von einem Boom sprechen“, sagt Dirk Lewandowski, Professor für Informationswissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg.

Die meisten dieser Suchmaschinen präsentierten ihren Nutzern maschinengenerierte, algorithmische Suchergebnisse. Dabei „hangeln“ sich so genannte Bots von Link zu Link und durchforsten den Quellcode und Inhalt der gefundenen Seiten nach dem eingegebenen Suchwort.

Yahoo dagegen verfolgte eine andere Strategie: Hier setzte man auf einen von Hand erstellten Katalog und sortierte die darin aufgenommenen Webseiten in Kategorien ein. „Dieses System hat sich jedoch überlebt“, sagt Lewandowski. Der Grund: die von Bots gelieferten Suchergebnisse erwiesen sich schlicht und einfach als besser.

Deshalb kaufte Yahoo zunächst algorithmisch generierte Ergebnisse von der Konkurrenz hinzu, bevor der Konzern 2004 eine eigene Suchmaschine auf den Markt brachte. Anschließend ging Yahoo einen Kooperationsvertrag mit dem von Microsoft betriebenen MSN-Nachfolger Bing ein – und zeigt bei einer Websuche auf Yahoo.de nun Ergebnisse der Bing-Suche an.

Kooperationen zwischen Suchmaschinen-Anbietern

Ähnlich erging es auch den übrigen Suchmaschinen-Anbietern (siehe Grafik zur Entwicklung des Suchmaschinen-Marktes). „AltaVista, Lycos und Fireball bestehen zwar dem Namen nach fort und sind im Netz aufrufbar“, erklärt der Suchmaschinen-Experte Lewandowski, eigentlich seien sie aber nicht viel mehr als leere Hüllen. Denn sie alle zeigten ihren Nutzern Google- oder Bing-Suchergebnisse an. Und das rechnet sich: „Eine eigene Suchmaschine zu entwickeln und zu unterhalten ist kompliziert und teuer“, sagt er. Viel günstiger sei es, beispielsweise Google-Ergebnisse und die dazugehörigen Anzeigen auszuspielen und bei jedem Klick auf eine Anzeige mitzuverdienen.

Doch wie hat sich Google trotz seines späten Markteintritts seine Vormachtstellung erarbeitet? Immerhin liegt dessen Marktanteil laut des Marktforschungsinstituts Comscore in Deutschland bei rund 95 Prozent. Und auch in den USA ergibt sich nur ein geringfügig anderes Bild: Hier laufen traditionell rund Zweidrittel aller Websuchen über Google.com, die übrigen 30 Prozent teilen sich zum größten Teil unter Bing.com und Yahoo.com auf.

Gründe für Googles Erfolg

Die Gründe für den Erfolg von Google sind vielfältig, sagt Dirk Lewandowski. Einer davon sei die Qualität der Suchergebnisse in der Anfangszeit gewesen. „Google war seinen Konkurrenten damals deutlich überlegen.“ Das lag hauptsächlich an der der Suche zu Grunde liegenden Technik: Google bezog nämlich schon damals neben dem Inhalt einer Webseite auch deren Popularität in das Ranking der Suchergebnisse mit ein. Letztere wurde und wird bis heute über die Zahl und Qualität der Verlinkungen zu einer Seite ermittelt. So fahndet Google nicht nur nach willkürlichen Ergebnissen, die zu diesem Suchwort passen, sondern nach der „Creme de la creme, der Nadel im Heuhaufen, der besten Seite, die zu dieser Suche passt“, erklärt Matt Cutts, Chef des Google-Webspam-TeamS.

Diese Methode ermöglichte schon früh ein Minimum an unsinnigen Suchergebnissen, sprich Spam, mit denen Yahoo, Lycos oder AltaVista damals zu kämpfen hatten, erklärt Lewandowski.

Und auch das aufgeräumte Design der Google-Webseite trug ihm zufolge zum Erfolg bei. Während andere Anbieter ihre Startseiten etwa mit Nachrichtenangeboten überfrachteten, konzentrierte sich Google von Anfang an rein auf die Suchfunktion – und das kam bei den Nutzern gut an.

Und wie sieht die Zukunft aus? Lässt sich an dem gegenwärtigen Status etwas ändern? „Ich sehe da nur geringe Chancen“, sagt Professor Dirk Lewandowski. „Derzeit wagt sich niemand an das Thema Websuche heran, dafür ist es zu teuer und zu komplex.“ Um neuen Ideen wirklich eine Chance zu geben, müssten Startup-Unternehmen zu fairen Bedingungen auf eine bereits angelegte Suchmaschinen-Datenbank zugreifen können, aber ohne an die Vorgaben von Google und Co. gebunden zu sein, meint er. Die Verantwortung für ein solches Projekt läge seiner Meinung nach am ehesten bei der EU. Der Testballon einer ersten europäischen Suchmaschine namens Quaero jedoch scheiterte schon im Anfangsstadium.