Bei den staatlichen Entwicklungshelfern braut sich Unmut gegen Vorstandssprecherin Gönner zusammen: Die Mitarbeiter sehen sich als Steuertrickser am Pranger und fordern kräftige Tarifaufschläge.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Tanja Gönner schweigt. Kein Wort kommt von der Vorstandssprecherin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Ob Medien nach der Steueraffäre bei der staatlichen Entwicklungshilfeorganisation fragen oder nach deren Folgen für die Tarifverhandlungen – die frühere CDU-Ministerin lässt ihre Pressestelle nicht einmal reagieren.

 

Dabei erwarten auch viele Bedienstete der GIZ, dass sich Gönner endlich öffentlich äußert. Intern ist die Besteuerung der 2000 Auslandsmitarbeiter ohnehin seit Monaten Thema Nummer eins. Jahrelang zahlten viele von ihnen keinen Cent an den Fiskus, weil sie sich weder im Einsatzland noch daheim steuerpflichtig wähnten. Inzwischen sieht die Finanzverwaltung das anders, seit Jahresbeginn muss die Lohnsteuer vom Arbeitgeber einbehalten werden (die StZ berichtete). Die Folge: die Nettobezüge sinken von einem Monat auf den anderen um Beträge zwischen 650 und mehr als 2000 Euro.

Als Steuertrickser am Pranger

Zudem sehen sich die GIZler als Steuertrickser an den Pranger gestellt, obwohl sie doch nur den Empfehlungen ihres Dienstherrn gefolgt waren. Der neue Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mahnte bereits, man dürfe „die Mitarbeiter im Ausland nicht kriminalisieren“. Die bisherige Praxis sei von den Ämtern akzeptiert worden, nun habe sich deren Bewertung eben geändert. „Absurd“ sei der Eindruck, „dass es da flächendeckend Steuerhinterziehung gegeben hat“, sagte Müller. Eine solche Klarstellung, heißt es in einem internen, von Hunderten Mitarbeitern unterzeichneten Schreiben, erwarte man auch von Gönner und ihrem Vorstand.

Die Hauptsorge der betroffenen Auslandskräfte ist freilich der Ausgleich für ihre Einbußen – kurzfristig und auf Dauer. Nicht die Steuerpflicht an sich sei bedenklich, sagt der zuständige Verdi-Tarifsekretär Tobias Schürmann, „sondern die plötzliche Belastung“. Zum Teil habe diese „existenzielle Konsequenzen“, schrieben die Betroffenen an den Vorstand: Zahlungspflichten für Unterhalt oder Eigentumserwerb könnten nicht mehr erfüllt werden, Entwicklungshelfer fielen „teilweise unter das Sozialhilfeniveau“, mitreisende Lebenspartner hätten Jobs in Deutschland im Vertrauen auf die Steuerfreiheit aufgegeben. In den prekären Fällen müssten zeitnah „Liquiditätshilfen“ gewährt werden.

Höhere Tarife als Ausgleich fürs Steuerzahlen

Dauerhaft wollen die GIZler das, was sie neuerdings ans Finanzamt abführen, durch höhere Bezüge oder Zulagen kompensiert haben – ganz oder weitgehend. Das ist das Maximalziel in den seit Ende November laufenden Tarifverhandlungen. Doch die Gespräche gestalten sich äußerst zäh und sind derzeit bis auf Weiteres ausgesetzt. Als hohe Hürde erweist sich eine Vorgabe, die während der Koalitionsverhandlungen aus dem damals noch FDP-geführten Entwicklungsministerium kam: Nur die Hälfte der Steuermehreinnahmen von gut 40 Millionen Euro dürfe für höhere Bezüge eingesetzt werden. Die GIZ-Spitze fühlt sich offenbar daran gebunden, auch unter dem neuen Minister Gerd Müller scheint das zu gelten. Zu laufenden Tarifverhandlungen, heißt es aus dessen Haus, könne man sich nicht äußern. Er selbst sagte allgemein, die Auslandsmitarbeiter leisteten „eine herausragende Arbeit in einem schwierigen und vielfach gefährlich Umfeld mit einer enormen Belastung . . . ; dies muss auch fair vergütet werden“.

Aber was ist fair? Für die GIZ-Mitarbeiter heißt es, das bisherige Niveau des Nettogehalts zu wahren. Andernfalls, warnten sie den Vorstand, drohe ein erheblicher „Motivationsverlust“. Weit übers Pflichtpensum hinaus hätten sie sich im Ausland für die entwicklungspolitischen Ziele Deutschlands engagiert. Überstunden, Wochenendarbeit, viele Reisen, eingeschränkte medizinische Versorgung – all diese Belastungen habe man im Vertrauen darauf in Kauf genommen, dass es honoriert werde. Nun aber gebe es einen „Vertrauensverlust gegenüber dem Arbeitgeber“.

Warnung vor massivem „Motivationseinbruch“

Alarm schlugen in einem Schreiben an Gönner auch fast 50 Länderdirektoren. Sie befürchten nicht nur einen „Motivationseinbruch nicht gekannten Ausmaßes“, sondern bangen auch um die Wettbewerbsfähigkeit der GIZ auf dem internationalen Arbeitsmarkt. Schon bisher sei es oft nicht einfach gewesen, Personal zu gewinnen, weil andere Organisationen besser zahlten. Künftig könne es „massive Schwierigkeiten“ geben, Stellen zeitnah und adäquat zu besetzen. Dabei reicht die Tariftabelle immerhin bis an 100 000 Euro heran.

Einstweilen überlegen die GIZ-Beschäftigten, wie sie den Druck in den Tarifverhandlungen erhöhen können. Eine erste Stufe wäre „Dienst nach Vorschrift“, also die strikte Einhaltung der 39-Stunden-Woche. Aber auch ein Streik erscheint nicht mehr ausgeschlossen – so schwer es den Helfern auch falle, Hilfe zeitweise zu verweigern. Ein Arbeitskampf um einen deutschen Tarifvertrag in 50 Ländern der Welt – damit, sagt der Verdi-Sekretär Schürmann, betrete man „völliges Neuland“.