Grün-Rot will verbindliche Betreuungsvereinbarungen für Doktoranden einführen und die Chancen des Nachwuchses an den Hochschulen des Landes verbessern. Ministerin Bauer stellt die Wissenschaftsfreiheit, Transparenz und die Beteiligung der Hochschulmitglieder in den Mittelpunkt.

Stuttgart - Mit einem neuen Landeshochschulgesetz verabschiedet sich die grün-rote Landesregierung vom Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“, das der damalige Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) 2005 gezeichnet hat. Die Vermittlung von Wissen sei etwas anderes als die Vermittlung von Gütern, betonte Frankenbergs Nachfolgerin Theresia Bauer (Grüne) bei der Präsentation des Anhörungsentwurfs zum neuen Gesetz. „Das Leitbild hat ohnehin nie zu unseren Hochschulen gepasst“, sagte Bauer. Kein Hochschulrat habe sich je Aufsichtsrat genannt, kein Rektor Vorstandsvorsitzender.

 

Schon im Vorfeld des neuen Gesetzes wurde gestritten

Das neue Gesetz stellt für Bauer die Wissenschaftsfreiheit, Transparenz und die Beteiligung der Hochschulmitglieder in den Mittelpunkt. Zuständigkeiten werden zum Teil neu geregelt und klarer abgegrenzt. Schon im Vorfeld hatte es heftige Auseinandersetzungen um die künftige Bedeutung der Hochschulräte gegeben. Wirtschaftsvertreter in den Gremien hatten um ihre Entscheidungskompetenzen gefürchtet. Der Hochschulrat konzentriert sich nun auf Strategie und Kontrolle, und wird gestärkt in der Entscheidung über Wirtschaftspläne. Das begrüßt die IHK.

Auch der Senat gewinnt an Bedeutung. Er beschreibt in Zukunft die Funktionsbereiche der Professoren. Konflikte um die Wahl von Rektoren, wie es sie in Tübingen, Reutlingen oder Pforzheim gegeben hatte, sollen in Zukunft weniger wahrscheinlich werden. Neue Rektoren brauchen nun die Zustimmung von Senat und Hochschulrat, die zeitgleich entscheiden werden. Die Diskrepanzen mit den externen Mitgliedern der Hochschulräte betrachtet Bauer als ausgeräumt: „Wir haben uns sehr gut verständigt. Ich erwarte einen hohen Konsens“, sagte die Ministerin. Für die Hochschulräte wird eine Amtszeitbegrenzung von neun Jahren eingeführt. Vorgeschrieben wird eine Frauenquote von 40 Prozent.

Betreuung von Doktoranden soll verbindlich vereinbart werden

Nach den Diskussionen um Plagiate in Promotionen schreibt Baden-Württemberg als erstes Bundesland verbindliche Betreuungsvereinbarungen für Doktoranden vor. Darin sollen der zeitliche Ablauf der Beratungsgespräche und Mindeststandards fixiert werden. Nicht einzelne Professoren, sondern die Fakultät soll laut Bauer künftig darüber entscheiden, ob Promotionen angenommen werden. Dadurch soll verhindert werden, dass einzelne Professoren zu viele Doktoranden annehmen und die Betreuung schlechter wird. Obergrenzen für die Anzahl der Promotionen legt das Gesetz aber nicht fest. Das Gewicht der Doktoranden an der Hochschule soll durch neu einzurichtende Konvente für Promovierende gestärkt werden.

Der Zugang zur Hochschule soll weiter erleichtert werden. Studierwillige mit Fachabitur oder Fachhochschulreife können sich in so genannten Deltaprüfungen für ein fachfremdes Studium qualifizieren. Im Studium selbst will das Ministerium die Anzahl der Prüfungen reduzieren, und so die Verschulung abmildern. Zu einem berufsbegleitenden Studium soll der „weiterbildende Bachelor“ animieren. Der wissenschaftliche Nachwuchs soll die Möglichkeit bekommen, ohne Zwischenstation an einer anderen Hochschule im Rahmen des „tenure track“ von einer Juniorprofessur in eine W 3-Professur zu wechseln.

Die Opposition hält sich mit einer Bewertung des Entwurfs noch zurück. Die FDP will verhindern, dass die Grünen den Hochschulen zu viel vorschreiben. Die CDU vermutet zahlreiche Stolperfallen und kritisiert die Abkehr vom Konzept der unternehmerischen Hochschule. Genau diese geht dagegen dem Gewerkschaftsbund nicht weit genug. Der DGB hätte sich Vorgaben für die künftige Zusammensetzung der Hochschulräte gewünscht. Die Gewerkschafter halten auch nichts vom Weiterbildungsbachelor. Für diesen sollen Gebühren erhoben werden, das kritisiert der DGB ebenso wie Studentenvertreter.

Der Fahrplan zum neuen Landeshochschulgesetz

Der Vorschlag der Landesregierung kann von jetzt an bis zum 28. November kommentiert werden. Alle Bürger können ihre Anmerkungen im Internet abgeben: http://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de

Auf die Verbandsanhörung folgt eine Kabinettsvorlage. An den Beschluss des Ministerrats schließt sich die parlamentarische Beratung im Landtag an. Nach den Vorstellungen von Ministerin Theresia Bauer (Grüne) soll das neue Gesetz im zweiten Quartal 2014 in Kraft treten.

Das Landeshochschulgesetz wurde 2005 vom damaligen Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) neu gefasst. Kernpunkte der Reform waren damals die Studienstrukturreform nach dem Bachelor-/Mastermodell sowie leistungsorientierte Finanzierung und an der Wirtschaft orientierte Leitungsstrukturen. Dies sollte zu „mehr Qualität durch Wettbewerb“ führen