Verkehrsminister Winfried Hermann hat das Konzept zur Luftreinhaltung vorgelegt. Das ist ein Entwurf mit zwei Unbekannten, der Industrie und den Gerichten, kommentiert Redakteur Thomas Durchdenwald.

Stuttgart - Wenn man die Aussagen mancher Wirtschaftsführer und Politiker der vergangenen Tage Revue passieren lässt, dann steht der Untergang des automobilen Abendlands unmittelbar bevor. Anlass für diese Prophezeiungen ist, dass vom kommenden Jahr an Fahrverbote für Diesel schlechter als Euro-Norm-6 an Tagen mit hoher Luftbelastung an wichtigen Stuttgarter Einfallstraßen gelten sollen. Dieses Konzept, so kompliziert und fragwürdig es im Bezug auf die ausgewählten Straßen, Beschilderung und Kontrollen ist, lässt innerstädtischen Verkehr noch zu, trifft aber Autos mit dem Ziel City.

 

Zudem beinhaltet es einen dicken Ausnahmekatalog. Das ist alles in allem moderat und vom Bemühen getragen, einen Ausgleich zu finden zwischen dem Gesundheitsschutz sowie Mobilitäts- und Wirtschaftsinteressen. Der Anlass rechtfertigt die apokalyptischen Aussagen also nicht. Zumal man sich wünschen würde, dass diejenigen, die sich so vehement gegen Fahrverbote aussprechen, sich mit ähnlichem Furor für saubere Luft engagieren würden.

Dazu hat die Autoindustrie weiterhin die Chance, die wegen ihrer massiven Abgastricksereien entscheidend zum Problem beiträgt. Das Land baut der Branche mit der Möglichkeit über die Nachrüstung, falls technisch machbar, die Fahrverbote zu verhindern, eine goldene Brücke. Bloße Absichtserklärungen reichen nicht. Wegen der Bedeutung des Wirtschaftszweigs wäre es angebracht, dass sich diese Einsicht bei den Chefs rasch durchsetzt.

Doch die Nachrüstung ist nicht die einzig Unbekannte in der Gleichung mit den Fahrverboten. Auch das Bundesverwaltungsgericht kann das Konzept noch stoppen, wenn es die spitzfindige Beschilderung als unzulässig einstuft. Diese Möglichkeit sieht selbst Minister Hermann, der ein Getriebener ist von Gerichten und der EU und trotz der offenen Fragen jetzt handeln muss. Die nun gefundene komplexe Konstruktion kann dem Minister aber nicht vorgeworfen werden. Dafür verantwortlich sind der Bundes- und die Länderverkehrsminister, die aus wahltaktischen Gründen die Blaue Plakette ablehnen. Doch Hermanns Konzept zeigt eben auch, dass an ihrer Einführung kein Weg vorbeiführt.