Der baden-Württembergische FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, im Enzkreis beheimatet, wagt sich an eine Erklärung für den unerwarteten Aufschwung seiner Partei.

Enzkreis – Die FDP ist dem Untergang geweiht – das ist in den vergangenen Monaten oft in Zeitungen und Internetmagazinen zu lesen gewesen. Nun aber haben die Liberalen in Niedersachsen fast zehn Prozent der Wähler überzeugen können; plötzlich sind sie wieder da. Der baden-Württembergische FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, im Enzkreis beheimatet, wagt sich an eine Erklärung.
Herr Rülke, für viele unerwartet hat die FDP in Niedersachsen fast zehn Prozent erreicht. Hätten Sie damit gerechnet?
Ich habe mich sehr über das Ergebnis gefreut. Ich bin aber auch schon vor der Landtagswahl davon überzeugt gewesen, dass die niedersächsische FDP gut abschneidet. Zehn Prozent hatte ich zwar nicht vorhergesehen, aber ich habe immer klar gesagt: In Niedersachsen kommen wir deutlich über fünf Prozent.

Wie erklären Sie sich das gute Ergebnis?
Ich bin der Meinung, dass die Parteifreunde in Niedersachsen eine sehr gute Arbeit geleistet haben, und das wird dann natürlich vom Wähler honoriert. Auch denke ich, dass bereits deutlich wird, wo die Reise bei den Bundestagswahlen im September hingeht. Schwarz-Gelb kann gewinnen, wenn die FDP stark wird. Auch wenn Rot-Grün in Niedersachsen am Ende 0,4 Prozent mehr erreicht hat – beide Lager haben gute Chancen, die nächste Bundesregierung zu stellen. Es kommt auf den Wahlkampf an.

Wie muss sich die Bundes-FDP nun Ihrer Meinung nach organisieren?
Zunächst einmal muss sie rasch ihre personelle Aufstellung finden und alle FDP-Mitglieder hinter dieser Aufstellung versammeln. Nur dann werden wir die Chance haben, mit inhaltlichen Themen durchzudringen. Die Menschen in unserem Land dürfen nicht den Eindruck haben, es gehe nur darum, wer in der FDP etwas wird. Sondern sie müssen darüber sprechen, welche Themen von der FDP zu erwarten sind.

Und welche Themen sind das nun?
Die Freiheitsthemen insgesamt: wirtschaftliche Freiheit, bürgerliche Freiheitsrechte – etwa das Verhindern großer Datenspeicherungsaktionen, die andere Parteien auf der Agenda haben. Zudem müssen wir klar machen, dass wir die großen Regulierungs- und Steuererhöhungsorgien verhindern wollen, die Rot und Grün im Köcher haben.

Nichtsdestotrotz interessiert dieser Tage vor allem die Personalfrage in Ihrer Partei…
…ich habe das gestrige Angebot von Philipp Rösler, beim nächsten Bundesparteitag den FDP-Vorsitz an Rainer Brüderle abzugeben, als sehr ehrenwert empfunden. Ich hätte ihn bei dieser Entscheidung also unterstützt.

Allerdings kam dann gestern Mittag die Meldung, dass Philipp Rösler Parteichef bleibt, Brüderle aber den Wahlkampf leitet. Was halten Sie von dieser Konstellation?
Dass beide zusammen die FDP in den Wahlkampf führen, ist auch eine gute Lösung.

Wenn Sie in Ihren Wahlkreis im Enzkreis und in die Region schauen, wie ist dort die Stimmung in der Partei?
Die Diskussionen der vergangenen Monate sind für jüngere Parteimitglieder schon ein Thema gewesen und haben nicht jeden kalt gelassen. Doch in unseren Reihen gibt es auch viele altgediente Mitglieder, welche die Entwicklung mit großer Gelassenheit verfolgt haben. Seit ich selbst in der FDP bin, ist sie schon ein Dutzend mal gestorben und wieder auferstanden. Die aktuellen Landtagswahlen beweisen das ja auch.

Und wie ist die Stimmung im Wahlkreis in der Bevölkerung, was die FDP angeht?
Ich werde als Landespolitiker natürlich generell viel von den Bürgern auf Landesthemen angesprochen, aber auch auf die Bundesthemen. Viele Menschen bei uns beschäftigt die Haushaltspolitik von Grün-Rot in Baden-Württemberg. Die Leute wundern sich schon darüber, dass die Landesregierung angesichts von Rekordeinnahmen 3,3 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnimmt. Da müssen wir als FDP ansetzen. Auch die Bildungspolitik ist ein wichtiges Thema hier vor Ort…

…in vielen Städten im Altkreis, etwa in Heimsheim und Leonberg, wird kontrovers über die Gemeinschaftsschule diskutiert...
Genau. Die Landesregierung hat eine Fülle von verschiedenen Reformen auf den Weg gebracht, diese aber teils dilettantisch umgesetzt. Deshalb ist auch die Kultusministerin zurückgetreten.

Sie sagen also, dass Sie das als FDP besser können?
Zumindest sagen viele: Wir brauchen auf jeden Fall weiter eine liberale Partei im Parteienspektrum. Und: Frau Merkel wird nur Kanzlerin bleiben können mit der FDP.