Der Streit schwelt schon lange. Nun ist er eskaliert. Die Märkte Stuttgart haben der Genossenschaft Blumengroßmarkt gekündigt und eine Räumungsklage zugestellt. Man trifft sich vor Gericht.

Stuttgart - Lasst Blumen sprechen. Darüber sind die Verantwortlichen der Märkte Stuttgart und die Genossen des Blumengroßmarkts längst hinaus. Sie schenken sich keine Sträuße, sie fechten Sträuße aus. Am 3. März wird vor dem Stuttgarter Landgericht darüber verhandelt, ob der Blumengroßmarkt seine Hallen auf dem Großmarkt räumen und sein Geschäft der städtischen Tochter Märkte Stuttgart überlassen muss.

 

Wie es so weit kommen konnte? Fangen wir von vorne an. Der Blumengroßmarkt ist als Genossenschaft organisiert, getragen von 50 Betrieben mit 300 Mitgliedern. Das sind größtenteils Gärtnereien aus der Region, die ihre Pflanzen und Blumen auf dem Großmarkt in Wangen anbieten. Am Nikolaustag 1968 billigte der Gemeinderat in einem Vertrag, „dass der Blumengroßmarkt den bisher von der Stadt betriebenen Großmarkt mit Schnittblumen, Topf- und Zierpflanzen in eigener Regie übernimmt“. An drei Tagen bieten die Gärtner ihre Produkte an, rund 1000 Kunden vom Allgäu über den Bodensee bis zum Schwarzwald kaufen dort ein. Der Jahresumsatz beträgt 25 Millionen Euro.

Die Kundenladehalle haben die Genossen selbst gebaut

Die Genossenschaft zahlt rund 25 000 Euro Miete an die Märkte Stuttgart im Monat. Sie betreibt zwei eigene Vermarktungshallen, eine gepachtete Vermarktungshalle und eine eigene Kundenladehalle. Letztere ist nun der Zankapfel. Die Kundenladehalle erlaubt den Kunden, ihre Lieferwagen und Laster nahe der Verkaufsstände zu parken. So bleibt die Ware vor Nässe und Kälte geschützt. „Das ist absolut notwendig“, sagt Gert Hieber, Geschäftsführender Vorstand des Blumengroßmarkts, „unsere Kunden brauchen das, weil viele Pflanzen Kälte nicht vertragen.“

Nun ist diese Ladehalle aber vom Streusalz zerfressen. Man muss sie für eine Million Euro sanieren. Wer zahlt das? Da begann der Streit. Seit einigen Jahren verkauft das Unternehmen Landgard Topfpflanzen auf dem Großmarkt. Hieber: „Da alle Kunden und nicht nur die des Blumengroßmarktes die Halle nutzen, sollten sich nach unserer Überzeugung auch die Märkte Stuttgart und Landgard an den Kosten beteiligen.“

Man verhandelt seit fünf Jahren

2015 saß man erstmals zusammen. Und konnte sich seitdem nicht einigen. Hieber: „Die Märkte Stuttgart wollten sich an den Kosten nicht beteiligen.“ Stattdessen schlug die städtische Tochter einen Neubau des Blumengroßmarkts außerhalb des Geländes vor, auf einem Parkplatz. Die Märkte Stuttgart wollten ihn finanzieren und an Landgard und die Genossenschaft vermieten. Ein Wirtschaftsplan riet den Genossen davon ab. Also schlugen sie der Stadt vor, die Ladehalle für 1 Euro zu kaufen und zu sanieren. Der Ablehnung folgte im März 2018 die Kündigung für die drei Vermarktungshallen. Mit der Forderung, ein Gutachten über den Wert der Immobilien des Blumengroßmarkts vorzulegen. Hieber: „Die Märkte Stuttgart wollte die Hallen kaufen, um sie wieder zu vermieten.“ Und den Blumenhandel im Großmarkt selbst zu organisieren.

Streit über Wert der Hallen

An die Mitglieder der Genossenschaft schrieben die Märkte Stuttgart: Es bestehe dringender Anlass, die nicht mehr zeitgemäßen Verträge anzupassen und neu zu gestalten. „Wir würden Ihnen anbieten ein direktes Mietverhältnis mit Märkte Stuttgart einzugehen, . . . zu für Sie günstigeren Konditionen.“ Für Hieber war klar: „Sie wollten einen Keil zwischen uns treiben.“ Was nicht funktioniert habe, weil die Genossen wüssten, „dass wir mehr machen, als nur die Halle bereitzustellen“. Man sorge für Reinigung und Instandhaltung, organisiere Messen und Schulungen, die Prüfung der Floristen, betreue die Regionalmarke „Ich bin von hier!“, und betreibe einen Infostand.

Die Genossen blieben treu. Nächster Akt. Die Gutachten über den Wert der Hallen brachte unterschiedliche Zahlen. Laut Blumengroßmarkt sind ihre Immobilien 3,8 Millionen Euro wert, die Märkte Stuttgart errechnete 421 000 Euro. Landwirtschaftsminister Peter Hauk schaltete sich ein, der Genossenschaftsverband, auch der Gartenbauverband. Ohne Ergebnis. Es folgte im Dezember die Räumungsklage.

Furcht um die Existenz

Für Raimund Korbmacher, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Blumengroßmärkte, ist der Vorgang ein Skandal. Er schreibt: „Wenn ein durch Steuergelder finanziertes kommunales Unternehmen bestens funktionierende privatwirtschaftliche Strukturen zerschlagen will, dann stellt sich die Frage: Wo leben wir denn?“ Das wissen die Gärtner und Genossen Christian Koch und Martin Escher: „In einer Grün regierten Stadt in einem Grün regierten Land.“ Was es umso unbegreiflicher mache, warum man „die Existenz eines genossenschaftlich organisierten Unternehmens der grünen Branche bedroht, das mit regionalen Produkten handelt“. Sowohl der Waiblinger Escher als auch der Bad Cannstatter Koch verkaufen ihre Pflanzen ausschließlich über den Großmarkt. Sie fürchten, dass man ihnen Einzelmietverträge anbietet mit höheren Kosten bei geringerem Service – zu Lasten von Händlern und Kunden. Dann hätten die Märkte Stuttgart ihr Ziel erreicht, so die die Vermutung der Genossen. Sie könnten den Blumengroßmarkt abwickeln und hätten Platz für eine Neuordnung des Geländes. Hieber: „Das war schon das Ziel, als man uns aus dem Großmarkt auslagern wollte.“

Stadt will Blumengroßmarkt erhalten

Thomas Lehmann ist seit zwei Jahren der Geschäftsführer der Märkte Stuttgart. Er hat den Konflikt sozusagen geerbt. Er betont: „Natürlich wollen wir den Blumengroßmarkt erhalten und ihn mit mit neuen Geschäfts- und Zulieferstrukturen stärken.“ Man habe den Anbietern Einzelmietverträge für 11,56 Euro je Quadratmeter angeboten, „das ist günstiger, als sie jetzt bei der Genossenschaft mieten“. Sie würden zudem zusätzliche Leistungen erhalten. Natürlich könne die Genossenschaft fortbestehen, als „Werbegemeinschaft und Erzeugergenossenschaft“. Da könne jeder freiwillig Mitglied werden und müsse es nicht gezwungenermaßen, weil er auf dem Großmarkt verkaufen wolle. Man habe lange verhandelt, sei aber zu keiner Einigung gekommen.

Nun trifft man sich vor Gericht. Dort werden nicht mehr Blumen sprechen. Sondern Anwälte.