Im Streit um die Neuregelung der Erbschaftssteuer gibt es ein neues juristisches Gutachten, welches die Position von Familienunternehmen stärkt. Bei der Bemessung der Steuer soll auch nach einer Reform die Leistungskraft der Erben berücksichtigt werden.

Berlin - In der Debatte um die Neuregelung der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen hat der Rechtswissenschaftler Gregor Kirchhof die Politik davor gewarnt, sich allein auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 zu stützen. In einem Gutachten für den Verband Die Familienunternehmer kommt Kirchhof zum Schluss, dass der Gesetzgeber bei der Fokussierung auf das letzte Urteil Gefahr laufe, ein verfassungswidriges Gesetz vorzulegen. Es komme darauf an, auch die früheren Erbschaftsteuerurteile des Gerichts aus den Jahren 1995 und 2006 zu berücksichtigen. Im Urteil aus dem Jahr 1995 habe Karlsruhe die Leistungsfähigkeit der Firmenerben betont. In der aktuellen Debatte komme zu kurz, dass Firmenerben in besondere Weise an den Betrieb gebunden seien. Dies komme etwa dadurch zum Ausdruck, dass es Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten und den Standorten gibt. Auch in den langfristigen Investitionen zeige sich eine enge Bindung an das Unternehmen.

 

Kirchhof rief in Erinnerung, dass das Verfassungsgericht schon 1995 feststellte, dass der Erbe eines „gemeinwohlgebundenen Betriebs“ einer anderen steuerlichen Leistungsfähigkeit unterliege als etwa ein Erbe, der Geld vermacht bekommt. Aus einem Barvermögen könne die Erbschaftsteuer leicht entrichtet werden. Dies sei bei Vermögen, das im Betrieb gebunden ist, schwieriger. In dem Gutachten empfiehlt Kirchhof, dass der Gesetzgeber stärker auf die Leistungsfähigkeit des Firmenerben abhebt. In die Steuerprüfung müsse einbezogen werden, ob der Erbe den Geschäftsbetrieb fortsetzt. Kirchhof lehrt an der Universität Augsburg. Er ist der Sohn des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof.

Unternehmensanteile sind nicht einfach zu verkaufen

In seinem Gutachten empfiehlt der Jurist, die verminderte Leistungsfähigkeit von Firmenerben in einer qualitativen Prüfung zu untersuchen. So könne im Einzelfall geprüft werden, ob beispielsweise für Betriebsnachfolger Beschränkungen bei der Ausschüttung und der Verwendung der Gewinne bestünden. In vielen Gesellschafterverträgen wird beispielsweise festgelegt, dass die Unternehmensanteile nicht einfach verkauft werden können. Dies könne der Gesetzgeber bei der Bemessung der Erbschaftsteuer berücksichtigen, sagte Kirchhof. Er betonte, die eingeschränkte Leistungsfähigkeit gelte grundsätzlich für alle Firmenerben. Bei einer börsennotierten Aktiengesellschaften sei ein Anteilswechsel aber ein alltäglicher Vorgang, der sich in der Regel auf das Unternehmen nicht unmittelbar auswirkt. In einem Familienunternehmen sei ein Besitzerwechsel mit Schwierigkeiten verbunden. Dies müsse sich in der Prüfung der Leistungsfähigkeit widerspiegeln.

Rückenwind für Position der Union

Mit dem Gutachten stützt Kirchhof Überlegungen in der Unionsfraktion, die Wege sucht, wie bei der steuerlichen Bewertung auf die besondere Struktur von Familienunternehmen Rücksicht genommen werden kann. Die Unions-Fraktionsführung prüft entsprechende Modelle.

Eine Absage erteilte Kirchhof den Plänen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), bei der Bedürfnisprüfung für große Familienunternehmen künftig das Privatvermögen von Firmenerben heranzuziehen. Nach Schäubles Überlegungen soll es für Firmenerben, die Unternehmensanteile von mindestens 20 Millionen Euro übertragen bekommen, eine Bedürfnisprüfung geben. In diesem Fall wird untersucht, in welcher Höhe Privatvermögen vorhanden ist. Bei großen Familienunternehmen soll die Hälfte des Privatvermögens zur Begleichung der Steuern festgesetzt werden.

Kirchhof hält dies für falsch. „Das gesetzgeberische Ziel, den Bestand von Unternehmen zu schützen, wird auch nicht folgerichtig umgesetzt, wenn die Steuer aus übertragenem Privatvermögen zu entrichten ist“, heißt es in dem Gutachten. Es sei nicht sachgerecht, wenn ein Firmenerbe, der für schwierigere Zeiten gespart habe, für das Betriebsvermögen Steuern zahlen müsse. Wer kein Privatvermögen habe, müsse dagegen keine Steuern entrichten.