Der Grünen-Chef Cem Özdemir bezieht eine betont unternehmerfreundliche Position und grenzt sich von Forderungen des linken Flügels nach massiven steuerpolitischen Umverteilungen ab.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Der Parteichef der Grünen Cem Özdemir greift mit einem Positionspapier in die schwelende Auseinandersetzung um den steuerpolitischen Kurs der Grünen und damit ihre Aufstellung für den Bundestagswahlkampf ein. Özdemir macht sich bei der Erbschaftssteuer für ein einfaches Flat-Tax-Modell stark, das sowohl die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen als auch Arbeitsplätze sowie den Bestand von Betrieben sicherstellen soll.

 

Özdemir will Erbschaftssteuer betriebsverträglich gestalten

„Bei völliger Gleichbehandlung aller Vermögensarten und Beibehalt bestehender Freibeträge, also keiner Besserstellung von Betriebsvermögen gegenüber Immobilien oder Barvermögen, könnte ein einheitlicher Steuersatz, zum Beispiel 15 Prozent, soweit abgesenkt werden, dass kein Betrieb oder Arbeitsplatz in eine Schieflage geraten oder gefährdet würde“, schreibt Özdemir in dem Beitrag, der der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Mit verlässlichen Stundungsregeln will der dem realpolitischen Flügel zugehörende Grünen-Chef, der sich auch um den Posten als Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf bewirbt, sicherstellen, dass auch Betriebe mit Liquiditätsengpässen durch die Steuerbelastungen im Erbfall nicht in Existenznot geraten.

Trittin warnt vor vorauseilendem Gehorsam gegenüber Unternehmer-Lobby

„Kompliziert und radikal ist nicht automatisch gerecht“, betont Özdemir in dem Konzept, das mit den Worten „Steuergerechtigkeit geht anders“ überschrieben ist. Darin lehnt Özdemir nicht nur den aktuellen Regierungsentwurf zur Reform der Erbschaftssteuer ab, deretwegen der Bundesrat an diesem Freitag den Erwartungen zufolge den Vermittlungsausschuss anrufen wird. Er grenzt sich auch von den Befürwortern einer massiven steuerpolitischen Umverteilung auf dem linken Flügel seiner Partei ab. Zuletzt hat sich der frühere Umweltminister und vorige Spitzenkandidat der Grünen Jürgen Trittin in einem Aufsatz in der FAZ dagegen verwahrt, dass „Grüne der Lobby der Unternehmensverbände in vorauseilendem Gehorsam versichern, ‚mit uns wird es keinen Steuerwahlkampf geben‘.“

Vor diesem Hintergrund hat es mehr als symbolische Bedeutung, dass Özdemir sein Steuer-Papier gemeinsam mit Klaus Stähle, dem Vorstand des grünen Wirtschaftsverbands Unternehmensgrün, verfasst hat. Özdemir strebt im Bundestagswahlkampf eine wirtschaftsfreundliche Aufstellung seiner Partei an, mit der die Grünen ausdrücklich auch beim Zentralverband des deutschen Handwerks punkten sollen.

Özdemir sieht die Erbschaftssteuer als Symbolthema, das „in der Leistungsgesellschaft die Gemüter erhitzt“. Derzeit sind Betriebsvermögen in seinen Augen durch „überzogene“ Privilegien geschützt. „Die Mitte der Gesellschaft trägt auch hier die Hauptsteuerlast. Wer viel hat oder bekommt darf nahezu alles behalten.“ Dies wertet Özdemir als fundamentale Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes im Grundgesetz. Sein eigenes Modell, das die Linie der grünen Finanzexpertin Kerstin Andreä aufnimmt, habe nicht nur die Unterstützung des Bundesverbandes der grünen Wirtschaft, sondern genieße auch Sympathie bei der Mittelstandunion von CDU/CSU.

Erbschafts- oder Vermögenssteuer als Symbolthema der Steuergerechtigkeit

Trittin dagegen plädiert zwar auch für eine verfassungsfeste Reform der Erbschaftssteuer, sieht aber die Vermögenssteuer als zentrales Instrument. Er verwahrte sich dagegen, dass Facharbeiter bis zu 42 Prozent Einkommenssteuer zahlen müssen, während Kapitaleinkommen nur mit 25 Prozent belastet sind. „Wenn die Gewinne aus schnell wachsenden Vermögen nicht mehr investiert werden, wir aber mehr investieren müssen, spricht alles für eine Vermögenssteuer“, erklärte Trittin.