Erwärmt sich die Erde oder nicht? Eine wissenschaftliche Differenz unter Forschern wird von Kritikern ausgeschlachtet.

Stuttgart - Exakt zum Ende des Novembers hat Stefan Rahmstorf sich wieder zu Wort gemeldet und an seine Wette erinnert. Sein Fazit, aufgeschrieben in einem Blogeintrag vom 24. November: eine erste Frist ist abgelaufen, und nun sei klar, dass er recht gehabt habe. Die Klimaveränderung und damit die globale Erwärmung gehe "unbeeindruckt weiter". Es gebe keine Abkühlung, auch keine vorübergehende. Hätten die Kollegen, gegen die er gewettet hat, die Wette angenommen, wären er und einige seiner Mitstreiter jetzt um 2500 Euro reicher.

Rahmstorf forscht am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung über die Physik der Ozeane. Es gehört also zu seinem Arbeitsgebiet zu fragen, welche Auswirkungen die Ozeane auf das Klima der Erde haben. Das ist eine mögliche Erklärung dafür, warum er im Mai 2008 öffentlich Widerspruch gegen eine Studie von Kollegen aus Kiel und Hamburg angemeldet hat. Denn diese Studie konnte als Entwarnung interpretiert werden. "Legt die globale Erwärmung eine kurze Atempause ein?

"Verfeinerte Klimavorhersagen lassen geringere Erwärmung in den nächsten Jahren erwarten", lautete die Überschrift der Pressemitteilung zur Studie. Rahmstorf sah das anders. Die zweite Erklärung für seinen öffentlichen Widerspruch ist, dass Rahmstorf sich wie kaum ein anderer Klimaforscher in die öffentliche Diskussion über die Klimaforschung einmischt. In Interviews, Vorträgen und Blogs kämpft er gegen Fehlinterpretationen der Klimaforschung in der Öffentlichkeit. Er tut es mit Verve, aber um Sachlichkeit bemüht.

Versuch kurzfristige Schwankungen vorherzusagen


Dabei schafft er sich Feinde, und auch unter Kollegen löst er nicht immer Begeisterung aus. Das zeigt bis heute exemplarisch der Fall der "Klimawette" von 2008. Am 1. Mai erschien damals im Fachmagazin "Nature" eine Publikation von fünf Kollegen vom Leibniz Institut für Meeresforschung (IFM Geomar) in Kiel und dem Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg. Darin hatten die Forscher – unter ihnen der als Buchautor bekannte Mojib Latif – versucht, auch kurzfristige Schwankungen des Klimas vorherzusagen.

Da diese Schwankungen stark von der Oberflächentemperatur der Ozeane abhängen, entwickelten sie ein neues Verfahren, die Ozeane in Computersimulationen zu berücksichtigen. Sie überprüften ihr Verfahren an Klimadaten der Vergangenheit und wagten etwas, das sie mutig eine "Vorhersage" nannten: Der Mittelwert der Temperatur der Erde in dem Zeitraum von 2000 bis 2010 werde etwas niedriger liegen als in der Dekade von 1994 bis 2004. Auch für die Dekade 2005 bis 2015 werde sich keine Erhöhung feststellen lassen. Danach allerdings werde die Erderwärmung umso stärker fortschreiten und sich wieder den Szenarien des Weltklimarates nähern.

Noel Keenlyside, der Erstautor der Studie, erläuterte gestern auf Anfrage die entscheidende Erkenntnis: "Die Vorhersage der globalen Mitteltemperatur, wie wir sie veröffentlicht haben, wirft ein Schlaglicht auf die Fähigkeit natürlicher Klimaschwankungen, kurzzeitig (in Zehnjahreszeiträumen) Klimafluktuationen zu erzeugen, sogar in globalem Maßstab. Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass das richtig ist." Und er betont: "Die Vorhersage dieser Arbeit ist experimentell, und sie sollte als solche betrachtet werden." Erst für die Zukunft erhoffen sich die Autoren verlässliche Vorhersagen für kurze Zeiträume wie eine Dekade.

Erderwärung wurde in Frage gestellt


Nach der Veröffentlichung geschah, was Rahmstorf vermutlich befürchtet hatte: Es erschien eine Reihe von Presseberichten, in denen die Erderwärmung infrage gestellt wurde. Bekannte Aktivisten, die eine Klimaveränderung bestreiten, wie das Europäische Institut für Klima und Energie nahmen die Veröffentlichung als Beleg für ihre Position. Rahmstorf bot öffentlich die Wette an, dass die Vorhersage nicht eintreffen werde. Er hatte erhebliche wissenschaftliche Zweifel. Zudem schrieb er: "Uns geht es bei dieser Wette vor allem darum zu signalisieren: diese neue Vorhersage ist nicht eine Vorhersage ,der Klimaforschung‘ (die dann auch insgesamt büßen muss, wenn sie nicht eintritt), sondern sie ist im Kollegenkreis durchaus umstritten."

Seine Sorge hat ihm von den kritisierten Kollegen Ablehnung eingetragen. Sie gingen auf die Wette nicht ein. Mojib Latif wiederholte am Mittwoch auf Anfrage: "Ich möchte das nicht kommentieren."

Rahmstorfs Berechnung, dass Ende November – für Klimaberechnungen das Ende des Zehnjahreszeitraums 2000 bis 2010 – die Erwärmung stärker vorangeschritten sei, als die Studie vorhersage, spreche zunächst nicht gegen die Studie. "Man muss das langfristig sehen. Ich lege ein paar Jahre nicht auf die Goldwaage." Aber wenn sich die Vorhersage bis 2015 als Fehler herausstelle, "dann bin ich der Letzte, der das bestreitet".