Das Gas aus den 143 Bohrungen strömt über stahlgraue Leitungen in eine Industrieanlage mitten in der Tundra, in der es vor seinem Weitertransport in die Zentren Russlands oder Richtung Nordstream-Pipeline gereinigt wird. Der Laie sieht dort einen scheinbaren Wirrwarr von gelben und grauen, einen guten Meter dicken Stahlleitungen, die in blau-weiße Fabrikhallen hinein- und wieder aus ihnen herausführen. „Dort entfernen wir mit verschiedenen Verfahren eventuell mitgerissene Feststoffe oder Flüssigkeiten aus dem Gas“, erklärt Alexei Kasianenko. Anschließend wird der Druck erhöht. Zwei Kompressoren von der Größe eines Fußballfeldes treiben das Gas zur nächsten Station in 200 Kilometer Entfernung, zwei weitere Maschinen stehen als Reserve bereit.

 

Diese Anlage muss lange laufen, um die Investitionen von mehreren Milliarden Euro wieder einzufahren, fordern Betriebswirtschaftler. Die Ingenieure aber wissen, dass der Druck und damit die geförderte Gasmenge aus einer Lagerstätte im Laufe der Zeit abnehmen. „Nach dem Jahr 2020 sollte das auch im Juschno-Russkoje-Feld der Fall sein“, erklärt Hermann Ubbenjans, der seit 2010 als stellvertretender Direktor für strategische Planung von Wintershall in Kassel zu Severneftegazprom in Moskau abgestellt ist.

Die Förderung wird in absehbarer Zeit nachlassen

Das absehbare Nachlassen der Fördermenge wollen die Ingenieure mit Gas aus einer anderen Lagerstätte ausgleichen: dem Turon-Gas. Ein Blick in die Erdgeschichte erklärt diese Alternative: Vor hundert Millionen Jahren war es in der heutigen Tundra Sibiriens warm und feucht. Gut sechs Millionen Jahre lang lagerten sich damals in einem flachen Meer Algen und andere Lebewesen am Grund ab und verwandelten sich im Laufe vieler Jahrmillionen in Erdgas, das heute in Tiefen zwischen 900 und 1750 Metern im Gestein steckt. Das Zeitalter wird als Cenoman bezeichnet.

Nach sechs Millionen Jahren wurde die Ablagerung jedoch unterbrochen, weil den Weltmeeren der Sauerstoff ausging. Später bildeten sich in einem Turon genannten Zeitalter rund fünf Millionen Jahre lang erneut Ablagerungen, aus denen später Erdgas entstand. Dieses Gas ist heute in einer Tiefe von 750 bis 900 Metern im Gestein zu finden. „Da sämtliche Bohrungen in die Cenoman-Gasschicht das Turon-Erdgas durchqueren, sollten die russischen Ingenieure diese Lagerstätte ganz gut kennen“, erklärt Bohrtechnik-Spezialist Kurt Reinicke von der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld. Doch die Förderung des Turon-Gases hat sich bisher nicht rentiert: Die Schicht ist viel schmaler als die Cenoman-Schicht und der Gasdruck geringer.

Die Beteiligung der beiden deutschen Unternehmen sichert dem russischen Giganten moderne Bohrtechnologien. Das zeigt ein Besuch bei der Bohrung 94 im Juschno-Russkoje-Feld, die 170 Kilometer oder eine gute Helikopterstunde von der nächsten Stadt Nowy Urengoi entfernt ist. Eine der Bohrungen kommt dort als mannsdickes, graues Rohr aus 913 Metern Tiefe an die Oberfläche. Darüber türmen sich rund ein Dutzend ebenso große, tiefblaue Absperrventile, die mit roten Steuerrädern per Hand bedient werden können. Alles ist blitzsauber und bietet Kennern russischer Industrieanlagen aus der Sowjetzeit einen eher ungewohnten Anblick.

Gashydrate drohen, die Leitungen zu blockieren

Ein Problem dieser Förderung im Norden Sibiriens sind sogenannte Gashydrate. Die Lagerstätten liegen unter einem dauerhaft gefrorenen Boden und sind mit geschätzten 15 Grad entsprechend kalt. Wird diese Schicht angebohrt, schießt das Gas unter dem enormen Druck der Tiefe in die Höhe und kühlt dabei aber weiter ab. Unter Umständen bilden sich dann aus dem Erdgas und in geringen Mengen mitgerissenem Wasser kleine Kristalle, die Chemiker Gashydrat nennen. Die Kristalle stören den weiteren Transport erheblich.

In etwa der Hälfte der vorhandenen Bohrungen können Gashydrate entstehen. „Wir leiten dann Methanol ein, um das zu unterbinden“, erklärt Roman Balko, der Chefingenieur der Gasfelder. Wie jeder Alkohol zieht auch diese im Volksmund Holzalkohol genannte Flüssigkeit Wasser an und bildet mit ihr ein Gemisch, das die Ingenieure abpumpen können. Fehlt das Wasser, können sich keine störenden Gashydrate mehr bilden.

Die Ingenieure suchen schon nach den nächsten Gasfeldern

Das Gas aus den 143 Bohrungen strömt über stahlgraue Leitungen in eine Industrieanlage mitten in der Tundra, in der es vor seinem Weitertransport in die Zentren Russlands oder Richtung Nordstream-Pipeline gereinigt wird. Der Laie sieht dort einen scheinbaren Wirrwarr von gelben und grauen, einen guten Meter dicken Stahlleitungen, die in blau-weiße Fabrikhallen hinein- und wieder aus ihnen herausführen. „Dort entfernen wir mit verschiedenen Verfahren eventuell mitgerissene Feststoffe oder Flüssigkeiten aus dem Gas“, erklärt Alexei Kasianenko. Anschließend wird der Druck erhöht. Zwei Kompressoren von der Größe eines Fußballfeldes treiben das Gas zur nächsten Station in 200 Kilometer Entfernung, zwei weitere Maschinen stehen als Reserve bereit.

Diese Anlage muss lange laufen, um die Investitionen von mehreren Milliarden Euro wieder einzufahren, fordern Betriebswirtschaftler. Die Ingenieure aber wissen, dass der Druck und damit die geförderte Gasmenge aus einer Lagerstätte im Laufe der Zeit abnehmen. „Nach dem Jahr 2020 sollte das auch im Juschno-Russkoje-Feld der Fall sein“, erklärt Hermann Ubbenjans, der seit 2010 als stellvertretender Direktor für strategische Planung von Wintershall in Kassel zu Severneftegazprom in Moskau abgestellt ist.

Die Förderung wird in absehbarer Zeit nachlassen

Das absehbare Nachlassen der Fördermenge wollen die Ingenieure mit Gas aus einer anderen Lagerstätte ausgleichen: dem Turon-Gas. Ein Blick in die Erdgeschichte erklärt diese Alternative: Vor hundert Millionen Jahren war es in der heutigen Tundra Sibiriens warm und feucht. Gut sechs Millionen Jahre lang lagerten sich damals in einem flachen Meer Algen und andere Lebewesen am Grund ab und verwandelten sich im Laufe vieler Jahrmillionen in Erdgas, das heute in Tiefen zwischen 900 und 1750 Metern im Gestein steckt. Das Zeitalter wird als Cenoman bezeichnet.

Nach sechs Millionen Jahren wurde die Ablagerung jedoch unterbrochen, weil den Weltmeeren der Sauerstoff ausging. Später bildeten sich in einem Turon genannten Zeitalter rund fünf Millionen Jahre lang erneut Ablagerungen, aus denen später Erdgas entstand. Dieses Gas ist heute in einer Tiefe von 750 bis 900 Metern im Gestein zu finden. „Da sämtliche Bohrungen in die Cenoman-Gasschicht das Turon-Erdgas durchqueren, sollten die russischen Ingenieure diese Lagerstätte ganz gut kennen“, erklärt Bohrtechnik-Spezialist Kurt Reinicke von der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld. Doch die Förderung des Turon-Gases hat sich bisher nicht rentiert: Die Schicht ist viel schmaler als die Cenoman-Schicht und der Gasdruck geringer.

Ein technischer Trick erhöht die Gasmenge

Im vergangenen Jahr aber haben die Severneftegazprom-Ingenieure begonnen, mit einer speziellen Bohrtechnik die dort liegenden zusätzlichen 300 Milliarden Kubikmeter Erdgas ebenfalls anzuzapfen: „Wir bohren zunächst wie immer wenige Hundert Meter senkrecht in die Tiefe, lenken die Bohrung dann aber ab und bohren langsam schräg weiter, bis wir die Turon-Schicht erreichen und in ihr einige Hundert Meter weiterbohren“, erklärt der Severneftegazprom-Generaldirektor Stanislaw Tsigankow. Entlang der gesamten Bohrlänge in der Turon-Schicht strömt ausreichend Gas in das Bohrloch, so dass sich die Förderung dennoch lohnt.

Seit Anfang 2012 kommt aus dieser Bohrung Erdgas mit einem gleichbleibenden Druck von 63 Bar an die Oberfläche. Das Turon-Gasfeld über der bereits genutzten Cenoman-Schicht will Severneftegazprom daher von 2014 an mit einer Reihe von Bohrungen anzapfen. Nach 2020 hoffen die Ingenieure dann, mit acht Milliarden Kubikmetern Turon-Erdgas im Jahr die nachlassende Cenoman-Förderung zu ergänzen. „Vermutlich wird man so zwar allenfalls die Hälfte des dort vorhandenen Gases erwischen“, schätzt Kurt Reinicke. Trotzdem sollte das Turon-Gas einen merklichen Beitrag zur Erdgasversorgung leisten.

Weil in Sibirien mehr als zwanzig weitere Turon-Gasfelder bekannt sind, in denen mindestens 3000 Milliarden Kubikmeter Erdgas stecken, könnte die neue Technik aus der urtümlichen Tundra des Krasnoselkupski-Distrikts die erschließbaren Erdgasvorräte des Planeten erheblich ergänzen. Der Bau der Nordstream-Pipeline dürfte sich also bezahlt machen.