Die EU-Kommission prüft, ob Energieriese Gazprom mit wettbewerbswidrigen Klauseln operiert. Auch gegen deutsche Unternehmen wird ermittelt.

Berlin - Die Wettbewerbshüter lassen nicht locker: Am Mittwoch setzten EU-Fahnder ihre groß angelegte Razzia bei Erdgaslieferanten wegen möglicher Verstöße gegen Wettbewerbsvorschriften fort. Beim russischen Gaslieferanten Gazprom Germania in Berlin sichteten sie Akten und kopierten Dokumente, erklärte ein Sprecher.

 

Auch die Ermittlungen bei den deutschen Konzernen Eon Ruhrgas und RWE gingen weiter. Im Fokus steht nach Informationen aus der Branche der russische Gasexporteur Gazprom. Ein Sprecher des Versorgers RWE erklärte, es handele sich um "eine Nachprüfung zum Vorwurf von wettbewerbswidrigen Klauseln von Gaslieferverträgen von Gazprom".

Die EU-Kommission wies Mutmaßungen über eine politische Dimension des Falls zurück. Die Untersuchung wegen des Verdachts auf verbotene Preis- und Marktabsprachen mit Konkurrenten beruhe allein auf wettbewerbsrechtlichen Aspekten, sagte die Sprecherin von EU-Wettbewerbskommissar Joaquân Almunia.

Gute Beziehungen in allen Politikbereichen

Die am Dienstag begonnenen Durchsuchungen in zehn europäischen Staaten zielten auf Unternehmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten haben könnten oder davon wussten, erklärte die Kommission. Zuvor hatte Russland auf die Einhaltung von Rechten und Interessen von russischen Investoren gepocht.

Auf die Frage, ob sich die EU-Kommission von Stimmungen eines Staates beeinflussen lasse, antwortete die EU-Sprecherin diplomatisch: "Zu unserer Politik gehört es, sich nicht von der schlechten Laune eines Unternehmens beeinflussen zu lassen. Unsere Aufgabe ist es zu intervenieren, wenn wir Wettbewerbsverstöße vermuten." Zudem handle es sich lediglich um einen Anfangsverdacht.

Die EU-Behörde unterstrich die guten Beziehungen zu Russland in allen Politikbereichen. "Russland ist einer der strategischen Partner der Europäischen Union", sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton: "Wir stehen mit Russland über viele Dinge im Dialog, dazu gehört auch die Energie."

Zunächst gilt die Unschuldsvermutung

Ein Eon-Ruhrgas-Sprecher bestätigte Ermittlungen in Essen und der Slowakei. Bei RWE hieß es, neben der Konzernzentrale und der für den Energiehandel zuständigen Essener RWE-Tochter Supply und Trading sei die tschechische Tochter Transgas unter die Lupe genommen worden. Der Staatskonzern Gazprom blieb gelassen. Man sei offen für einen Dialog mit der EU-Kommission und werde die Ermittlungen unterstützen.

Die EU-Kommission verdächtigt Erdgas-Unternehmen in Europa, Märkte aufgeteilt, Preise abgesprochen und Konkurrenten behindert zu haben. Die Untersuchungen beziehen sich auf den Großhandel mit Gas, Unregelmäßigkeiten auf dieser Handelsstufe könnten jedoch auch die Preise für Endverbraucher beeinflussen.

Zunächst gelte jedoch die Unschuldsvermutung, betonte die EU-Kommission. Die Behörde nannte die Namen der betroffenen Firmen nicht. Es handle sich um Unternehmen in Zentral- und Osteuropa, die in der Versorgung, der Lieferung und Lagerung von Erdgas aktiv seien - im Fokus stünden die Liefermengen. Sollten die EUWettbewerbshüter ein förmliches Kartellverfahren eröffnen, drohen den beteiligten Unternehmen Bußgelder von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes.

Russisches Gas für Europa

Abhängigkeit Der Westen ist auf Erdgaslieferungen aus Russland in hohem Maße angewiesen. Allein Deutschland importiert rund 40 Prozent seines jährlich Bedarfs von dort. Der Staatskonzern Gazprom strebt einen weit reichenden Einfluss auf die Gasversorgung Europas an - vom Bohrloch bis zum Endverbraucher.

Gegenstrategie Die EU will die Abhängigkeit von Gazprom verringern. Dazu sollen auch andere Lieferländer Zugang zum russischen Pipelinenetz erhalten. Moskau will aber seinen Wettbewerbsvorteil nicht aufgeben.