Glyphosat ist das meistverkaufte Herbizid der Welt – und laut WHO wahrscheinlich krebserregend. Der Protest eines Vereins aus Erdmannhausen hat jetzt bewirkt, dass Obi, Hornbach und Kölle das Mittel nicht mehr verkaufen.

Erdmannhausen - Die Liste von Wolfgang Manuel Simon ist lang: Zehn Baumärkte hat der Erdmannhäuser Vorsitzende des Vereins Gentechnikfreie Landkreise Ludwigsburg und Rems-Murr angeschrieben und sie gebeten, glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel aus dem Sortiment zu nehmen – mit Erfolg. Die Weltgesundheitsbehörde WHO hatte Glyphosat im März als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Auf Simons Schreiben vom 14. Mai an die Obi-Filiale Winnenden (Rems-Murr-Kreis) reagierte die Obi-Zentrale Wermelskirchen, Pflanzen-Kölle in Heilbronn antwortete für sein Geschäft in Ludwigsburg: Das umstrittene Mittel werde in allen Märkten aus dem Sortiment genommen. Auch der Steinheimer Bau- und Hobbybaumarkt will kein Glyphosat mehr verkaufen. Die Hornbach-Zentrale in Bornheim bei Landau informierte Simon, dass zumindest hochkonzentrierte Mittel aus dem Verkehr gezogen werden sollen.

 

Die Experten der WHO hatten den meistverkauften Herbizidwirkstoff der Welt als „wahrscheinlich krebserregend für Menschen“ eingestuft – das ist laut Simon die zweithöchste Risikokategorie. „Auch Blei, Nitrosamine und Acrylamid gehören dazu.“ Von Panikmache grenzt sich der pensionierte Lehrer deutlich ab. „Die Verbraucher sollen bewusst mit den Mitteln umgehen, die sie verwenden.“

Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht es anders

Der Stoff, der in Südamerika auf riesigen Genmais- und Sojaanbauflächen zum Einsatz komme, soll etwa in Paraguay und Argentinien zu einer erhöhten Zahl von Missbildungen geführt haben. Entsprechend eindringlich war der Appell Simons, die Mittel in Baumärkten nicht mehr Kunden zu verkaufen, die damit ihre Grundstücke spritzen.

„Allein 2012 wurden in Deutschland 40 Tonnen an Privatanwender verkauft“, schrieben Simon und drei andere Vereinsmitglieder, Reinhild Holzkamp, Wolfgang Schiele und Robert Trautwein. Dass jährlich sogar rund 6000 Tonnen in der Landwirtschaft verwendet werden, findet Simon „empörend“. Die Landwirte spritzten weiter ihre Felder mit Gift.

„Sie verstecken sich hinter der Leitlinie, das Mittel sei ja zugelassen.“ Eindeutig ist die Meinung zum Gefahrenpotenzial von Glyphosat trotz der WHO-Studie in der Tat nicht. Überrascht ist Wolfgang Manuel Simon darüber, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Einschätzung der WHO nicht teilen will. „Das BfR hat sich schon am 23. März positioniert – es sieht die Zusammenhänge nicht als gesichert an.“ Nur drei epidemologische Studien aus den USA, Kanada und Schweden lägen dem Urteil der WHO zugrunde. Für den eigenen Bericht an die Europäische Union habe man 30  Studien ausgewertet, heißt es in der Stellungnahme des Bundesinstituts.

Die frühe Reaktion des BfR löst bei Simon und seinen Mitstreitern jedoch Misstrauen aus. „Viele Wissenschaftler und ihre Einrichtungen stehen durch Drittmittelfinanzierung in einer bedenklichen Nähe zur Industrie, die WHO jedoch ist unabhängig.“

Obi reagierte nach einem ZDF-Bericht

Für Simon reicht die Macht der Agro-Industrie bis in höchste politische Stellen. „Glyphosat war bis 2012 im EU-Raum zugelassen, die Lizenz lief ab. Jetzt hat man sie zwei bis drei Jahre verlängert, um ein wissenschaftlich fundiertes Urteil zu erlangen.“ Diese Arbeit solle jedoch ausgerechnet das BfR für die EU leisten. „Das Gutachten der WHO war für die Bundesanstalt eine Ohrfeige“, meint Simon, der gespannt ist, ob alle 27  EU-Staaten der Einschätzung folgen – oder nicht. „Dass die BfR maßgeblichen Erkenntnissen der WHO widerspricht, wirft kein gutes Licht auf die Institution.“ Ermutigend sind für den Vereinsvorsitzenden die Reaktionen der Baumärkte. Ihnen hatte Simon das Beispiel der Rewe-Toom-Baumärkte vor Augen gehalten: Auch diese Märkte wollen – ebenso wie die Schweizer Ketten Coop und Migros – glyphosathaltige Mittel aus dem Angebot nehmen.

Die Reaktionen der von Simon angeschriebenen Baumärkte fielen unterschiedlich aus. „Obi in Winnenden hat sich mit der Konzernzentrale in Verbindung gesetzt und nach einem Bericht von „Frontal 21“ im ZDF reagiert“, erzählt Simon und zitiert aus einem Schreiben: „An Obi Deutschland und Obi Österreich soll es nicht mehr liegen, dass Mensch und Natur durch Glyphosat in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Alle Produkte seien ab sofort nicht mehr bestellbar.

Die Gartencenter-Kette Kölle hat bereits im April die Produkte aus dem Angebot genommen, „auch wenn es noch viele Kunden gibt, die das nicht nachvollziehen können und nach diesen Mitteln fragen“, schrieb der Geschäftsführer Michael Wittmann. Der Hornbach-Pressesprecher Florian Preuß verwies darauf, dass die Behörden nicht von einer erhöhten Krebsgefahr ausgehen. Aber um mögliche Gefahren durch einen falschen Gebrauch zu minimieren, nehme Hornbach alle hochkonzentrierten Mittel aus dem Sortiment.