In der Katar-Krise bietet sich Erdogan jetzt als Vermittler an – seine eigenen Beziehungen zu radikal-islamischen Organisationen könnten nämlich früher oder später unter die Lupe kommen.

Doha - Während in der Putschnacht vom 15. Juli 2016 in Ankara regierungstreue Truppen noch mit den Aufständischen kämpften, klingelte bei Recep Tayyip Erdogan das Telefon. In der Leitung war Katars Emir, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani. Er sprach dem türkischen Präsidenten nicht nur seine Solidarität aus, sondern bot ihm auch ein Flugzeug und die Aufnahme in Katar an, falls er fliehen müsse.

 

Erdogan erzählt die Geschichte gern. Jetzt hat er eine Chance, sich zu revanchieren. Im Zerwürfnis mehrerer mächtiger Nahost-Länder mit dem Emirat versucht sich Erdogan als Vermittler. Er übernimmt diese Rolle nicht ganz uneigennützig: Der türkische Staatschef muss fürchten, dass er in den Strudel der Katar-Krise geraten könnten. Mit keinem anderen Golf-Staat unterhält die Türkei engere Beziehungen als mit Katar. Die türkischen Exporte in das Emirat belaufen sich zwar auf überschaubare 400 Millionen Dollar, aber türkische Bauunternehmen wickeln dort ein Auftragsvolumen von fast 15 Milliarden Dollar ab. Katars Staatsfonds hält Anteile am türkischen Rüstungskonzern BMC, am TV-Kanal Digitürk und an zwei Banken. Ende 2015 vereinbarten beide Länder enge militärische Zusammenarbeit. Eine türkische Militärbasis in Katar ist im Bau. 150 türkische Soldaten sind in dem Emirat stationiert, künftig sollen es 3000 sein. Mit dem katarischen Emir verbindet Erdogan nicht nur eine persönliche Freundschaft. Auch politisch steht man sich nahe.

Beziehungen zu radikal-islamischen Organisationen

„Wir betrachten die Probleme der Region durch dasselbe Fenster“, sagte Erdogan im Februar bei einem Besuch in Doha. Das gilt vor allem für das enge Verhältnis zu radikal-islamischen Organisationen wie der Hamas und der Muslimbruderschaft. Erdogan demonstriert seine Begeisterung für die Muslimbrüder bei jeder Gelegenheit. Wenn er bei Kundgebungen seinen Anhängern zuwinkt, legt er den Daumen an die Handfläche – das Rabia-Zeichen, der Gruß der Muslimbruderschaft. Dass arabische Staaten unter Führung Saudi-Arabiens nun Katar wegen seiner Unterstützung für die Muslimbruderschaft und die Hamas isolieren, ist für Erdogan brisant. Er muss fürchten, dass auch seine eigenen Beziehungen zu radikal-islamischen Organisationen unter die Lupe kommen. Wegen seiner Nähe zur Muslimbruderschaft stand Erdogan schon in der Vergangenheit bei vielen Nachbarn in der Kritik. Saudi-Arabien und Ägypten stufen die Bewegung als Terrororganisation ein.

Erdogan bemüht sich in zahlreichen Telefonaten

Unter Erdogan knüpfte die Türkei auch enge Beziehungen zur Hamas, was zu einer ständigen Belastung im Verhältnis zu Israel wurde. Erdogan bemüht sich seit dem Wochenende in zahlreichen Telefonaten mit ausländischen Staatsmännern um eine Entschärfung des Konflikts. Er sprach unter anderem mit den Präsidenten Frankreichs und Russlands, dem jordanischen König und den meisten Regierungschefs der Golf-Region.

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hat derweil nun angekündigt, sich mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu treffen zu wollen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, dabei werde es um Syrien und andere regionale Themen gehen.