In Paris wurde am Montag der Erdreport vorgestellt. Darin werden alarmierende Zahlen veröffentlicht. Allen voran, was das Artensterben angeht.

Berlin/Paris - „Lonesome George“ starb 2012 mit weltweiter Aufmerksamkeit als letzte Pinta-Riesenschildkröte. Der Mensch habe schon mindestens 680 Wirbeltierarten zum Aussterben gebracht, ermittelten 145 führende Experten für die erste weltweite Öko-Inventur seit 14 Jahren. Derzeit sind demnach etwa eine Million von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit vom Aussterben bedroht.

 

„Die Verluste von Ökosystemen und Arten schaffen eine direkte Bedrohung des Wohlergehens der Menschheit in allen Regionen der Welt“, mahnt einer der Hauptautoren, Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. Wenn immer mehr Insektenarten sterben, gebe es irgendwann keine mehr, die zur Bestäubung der Pflanzen nachrücken könnten, und es gebe Schwierigkeiten mit der Nahrungsproduktion. „Artenvielfalt ist unsere Lebensversicherung.“

Artensterben steigt dramatisch

Die weltweite Rate des Artensterbens sei derzeit zehn- bis hundertmal höher als im Schnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre und sie steige weiter, heißt es in dem Kernpunktepapier, das der Weltbiodiversitätsrat IPBES am Montag in Paris vorstellte. Ein Schlüsselelement für eine nachhaltige Entwicklung ist demnach ein Umdenken in Wirtschaft und Politik weg von kurzfristigen Gewinnen und dem Paradigma des Wirtschaftswachstums hin zur Entwicklung eines neuen, nachhaltigen Finanz- und Wirtschaftssystems.

Der Report müsse zu einem Transformationsprozess führen, Regierungen und auch Ministerien müssten dafür international kooperieren - „was sich schon innerhalb Deutschlands als schwierig erweist“, sagt Settele.

Derzeit sieht es in vielen Bereichen schlecht aus:

Wald:

Rund 100 Millionen Hektar Tropenwald, die dreifache Fläche Deutschlands, verschwanden laut IPBES allein von 1980 bis 2000, etwa für Rinderherden in Lateinamerika und Palmölplantagen in Südostasien – letzteres steckt etwa in Lebensmitteln, Shampoo, Kosmetik und Biosprit.

Landwirtschaft:

Von der Rapsmonokultur bis zum Schlammloch für das Bioschwein – über ein Drittel der globalen Landfläche ist Agrarland. Die Agrarproduktion hat sich laut IPBES seit 1970 vervierfacht. Wegen des weltweiten Verlustes von Bienen und anderen Bestäubern seien Ernteerträge im Wert von jährlich 235 bis 577 Milliarden Dollar (210 bis 515 Mrd Euro) in Gefahr.

Umweltverschmutzung:

In die Meere gelangt laut IPBES heute zehnmal so viel Plastik wie 1980. Es schädige etliche Tierarten und könne über die Nahrung auch zum Menschen kommen. Der Großteil fällt laut WWF zwar in Südostasien an. Doch deutsche Unternehmen exportieren Plastikmüll in Länder wie Malaysia und Indonesien, wo sie zur Umweltverschmutzung beitragen. Nach IPBES-Angaben gelangen zudem 300 bis 400 Millionen Tonnen Schwermetalle, Lösungsmittel und andere giftige Stoffe jährlich in die Flüsse der Welt.

Geld:

Der IPBES-Bericht verzeichnet Hunderte Milliarden Dollar an naturschädlichen Subventionen pro Jahr etwa für Kohle, Öl, Gas und Landwirtschaft. Allein 55 Milliarden Euro solcher Unterstützungen werden laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Deutschland gezahlt. „Naturschädigendes Verhalten darf nicht länger zu Vorteilen, sondern muss spürbar zu Nachteilen im Wettbewerb führen“, sagt BfN-Präsidentin Beate Jessel.

Klima:

Der IPBES-Report beschäftigt sich auch mit dem Klimawandel. Klar ist demnach: Etliche Arten leiden unter der Erderwärmung. Selbst bei einer Begrenzung auf 1,5 bis 2 Grad würden die Verbreitungsgebiete der meisten Arten laut IPBES stark schrumpfen, das Artensterben würde beschleunigt. Andererseits kosten Monokulturen etwa zur Produktion von Biosprit viel Naturfläche.