Klimaschutz und pro-europäische Haltung: Die Grünen profitieren bei der Europawahl davon, dass sie ihre Kernthemen klar verfolgen.

Berlin - Irgendwann um kurz nach sechs, als die ersten Prognosen schon gesendet sind, fangen sie bei den Grünen spontan an zu singen. Nicht alle Gäste im vollgestopften Foyer der Böll-Stiftung in Berlin, wo die zentrale Wahlparty der Ökopartei stattfindet. Aber doch einige, so dass der Gesang gut zu vernehmen ist. „Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium“, singen sie. Es ist die Europahymne. Und dass sie hier kurzerhand angestimmt wird, sagt eigentlich alles über den Zustand der Partei.

 

Grünen haben einen Lauf

Die Grünen haben gerade einen Lauf. Nach dem starken Abschneiden bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Herbst hat die Partei nun auch bei den Europawahlen ein sensationelles Ergebnis erzielt. Gegenüber dem Urnengang von 2014 kann sie ihr Ergebnis verdoppeln und landet noch vor der SPD auf Platz zwei. Das hat es bei einer bundesweiten Wahl noch nie gegeben. Auch bei der Bürgerschaftswahl in Bremen legen die Grünen deutlich zu.

Dabei profitierte die Partei ohne Zweifel davon, dass ihre Kernthemen gerade Konjunktur haben. Der Klima- und der Umweltschutz gehören zu den Aufgaben, die die Deutschen inzwischen besonders umtreiben. Die Schülerstreiks der Fridays-for-Future-Bewegung holten das Thema in die Mitte der Gesellschaft. Die Grünen sind klar proeuropäisch, ihr Chef Robert Habeck zählt zu den beliebtesten Politikern des Landes. Er stand bei diesem Urnengang nicht zur Wahl – was die Partei nicht davon abhielt, sein Bild auf Plakate zu drucken. Das gilt auch für die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock. Sie sagt am Sonntagabend vor den jubelnden Parteianhängern: „Diese Wahl war eine Klimaschutzwahl!“

Die Bodenhaftung nicht verlieren

Intern rufen Grünen-Strategen jedoch dazu auf, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. „Die Herausforderung wird darin bestehen, das bis zur nächsten regulären Bundestagswahl oder bis zu einer vorgezogenen Neuwahl auch zu halten“, sagt einer von ihnen. „Wir wissen schließlich, dass wir bei den Wahlen im Osten nicht so toll abschneiden werden.“ Im Herbst werden die Landtage sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen und Thüringen neu bestimmt. Für die Grünen ist der Osten ein schwieriges Terrain.

Bislang stellen die deutschen Grünen elf Abgeordnete im EU-Parlament. Künftig werden es mehr als 20 sein. Die beiden deutschen Spitzenkandidaten Ska Keller und Sven Giegold werden voraussichtlich auch in der neuen Legislaturperiode zentrale Rollen in ihrer Fraktion spielen. Keller ist bislang eine der beiden Fraktionsvorsitzenden. Jetzt bei der Europawahl war sie zugleich Spitzenkandidatin der europäischen Grünen. Giegold hat sich als Finanzexperte einen Namen gemacht.

Grüne Fraktion im Parlament eher klein

Da die grünen Parteien im restlichen Europa aber in der Regel nicht so stark abschneiden wie hierzulande, ist die grüne Fraktion in Straßburg eher klein. Auf jeden Fall wird sie viel zu klein sein, um bei der Wahl des EU-Kommissionspräsidenten die Rolle des Königsmachers zu übernehmen. Keller schloss nicht aus, dass die Europa-Grünen für den Kandidaten der Mitte-rechts-Parteien, Manfred Weber (CSU), votieren könnten. Dafür müssten aber die Inhalte stimmen.