Im Streit um Busstreiks im Jahr 2016 hat die Gewerkschaft Verdi vor dem Landesarbeitsgericht erneut gewonnen. Demnach waren die Arbeitsniederlegungen rechtmäßig – es muss kein millionenschwerer Schadenersatz gezahlt werden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Den womöglich entscheidenden Sieg hat die Gewerkschaft Verdi im Rechtsstreit gegen die Gesellschaft Stadtverkehr Pforzheim (SVP) erzielt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat am Mittwoch eine Schadenersatzklage wegen eines längeren Streiks im öffentlichen Personennahverkehr im Jahr 2016 abgelehnt. Schon das Arbeitsgericht Pforzheim hatte diese Forderung am 5. April vorigen Jahres zurückgewiesen, daraufhin ging die SVP nun in die Berufung – ohne Erfolg.

 

Die mittlerweile liquidierte, hundertprozentige Tochter der Stadt Pforzheim hat noch vor drei Jahren den städtischen Linienbusverkehr geführt. Ersetzt wurde sie per Genehmigung vom 12. Januar 2016 durch die Deutsche-Bahn-Tochter Regionalverkehr Südwest (RVS) im sogenannten eigenwirtschaftlichen Betrieb. Dieser geht auf eine Regelung im Personenbeförderungsgesetz zurück, die es privaten Anbietern ermöglicht, ohne öffentliche Vergabe Nahverkehre zu übernehmen. Sie agieren frei am Markt und ohne ständige öffentliche Zuschüsse, also quasi kostendeckend.

Rechtmäßiger Einsatz für einen Sozialtarifvertrag

In der Folge wurde zum 31. Dezember 2016 die Stilllegung der Stadtverkehr Pforzheim mit dem Verlust aller Arbeitsplätze beschlossen. Verdi verlangte daraufhin den Abschluss eines Sozialtarifvertrags, um die Folgen der Kündigung für die 240 Arbeitnehmer abzumildern. Zur Durchsetzung initiierte die Gewerkschaft einen Arbeitskampf mit 34 Streiktagen zwischen dem 9. März und 1. Juli 2016.

Die SVP hält die Arbeitsniederlegungen für rechtswidrig. Verdi habe gegen die Friedenspflicht verstoßen, da zwischen den Tarifpartnern bereits entsprechende tarifliche Regelungen bestehen würden. Zudem seien unrechtmäßige Forderungen gegenüber der Stadt Pforzheim als unbeteiligten Dritten erhoben wollen. Darüber hinaus verlangte die SVP Schadenersatz von knapp 2,1 Millionen Euro, weil sie Monate im Voraus Ersatzverkehr eingekauft und Einnahmeverluste zu beklagen hatte.

Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen

Doch das Landesarbeitsgericht entschied, dass Verdi für rechtmäßige Ziele gestreikt hätte – es liege kein Verstoß gegen die Friedenspflicht vor. Die Gewerkschaft feiert das Urteil als Sieg für das Streikrecht. Das Gericht habe sich nicht darauf eingelassen, die gewerkschaftlichen Spielräume bei der Ausübung des grundgesetzlich verbrieften Streikrechts einzuengen, sagte die Verdi-Landesvize Susanne Wenz. Mit der Schadenersatzklage sollten Verdi faktisch die Kosten der Stilllegung aufgebürdet werden – diese Rechnung sei nicht aufgegangen. Das Gericht ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu. Die Einbeziehung der Stadt als hundertprozentiger Gesellschafterin habe den Streik nicht rechtswidrig gemacht. Verdi sieht sich in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Stadt in der Mitverantwortung sei. So habe der damalige Oberbürgermeister Gert Hager Mitte März 2016 direkt mit Verdi in Berlin verhandelt. Die höchste Instanz in Erfurt könnte nun zwar ihrerseits überprüfen, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt blieb.

Ob die SVP aber auch in die Revision gehen will, müssen nun deren alter Aufsichtsrat und die frühere Gesellschafterin – mithin Stadträte und Bürgermeister – entscheiden. Wenz forderte die nun zum vierten Mal vor Gericht unterlegene SVP auf, den Konflikt endlich beizulegen, statt erneut viel Geld für die Anwälte auszugeben.