Das US-Magazin „Time“ zählt Jeff Kinney zu den hundert einflussreichsten Personen der Welt. Der Schriftsteller trifft mit „Gregs Tagebüchern“ offenbar exakt den Geschmack von Acht- bis Zwölfjährigen.

Reportage: Akiko Lachenmann (alm)

Stuttgart - Ausgerechnet einem bekennenden Computerspielsüchtigen ist zu verdanken, dass weltweit Kinder in der Vorpubertät auf einmal Spaß am Lesen entwickeln. Aus diesem Grund hat das US-Magazin „Time“ Jeff Kinney bereits 2009 zu den hundert einflussreichsten Personen der Welt gezählt. Der amerikanische Schriftsteller trifft mit „Gregs Tagebüchern“, einer Mischung aus Buch und Comic, offenbar exakt den Geschmack von Acht- bis Zwölfjährigen. Dabei entspricht sein selbstsüchtiger Protagonist Greg Heffley nicht gerade einem klassischen Helden.

 
Herr Kinney, Sie sind eigentlich Onlinespiele-Entwickler. Wie kamen Sie dazu, Kinderbücher zu schreiben?
Eigentlich wollte ich mein Leben lang Cartoons für Zeitungen zeichnen. Aber ich hatte keinen Erfolg. Dann erfand ich Greg Heffley und bastelte an der ersten Geschichte volle acht Jahre lang herum. Ich dachte mir, wenn ich schon kein Zeitungscartoonist werde, vielleicht klappt es als Cartoonist, der Bücher schreibt.
Wie erklären Sie sich den riesigen Erfolg von Gregs Tagebüchern?
Ich glaube, dass Kinder sich und ihre Umwelt leicht in meinen Charakteren wiederfinden. Die meisten haben genau dieselben Probleme wie Greg: Eltern, Lehrer, Hausaufgaben, Haustiere, Mobber und beste Freunde. Ich schreibe nur über eine gewöhnliche Kindheit, vermutlich kommen deshalb die Bücher so gut an.
Wie viel haben Sie mit Greg gemein?
Greg hat schon sehr viel von mir. Ich würde sagen, er entspricht einer Sammlung all meiner miesen Eigenschaften. Auch die meisten Geschichten, die Greg erlebt, sind mir wirklich passiert. Ich übertreibe natürlich ziemlich.
Warum nannten Sie ihn Greg und nicht Jeff?
Meine Eltern haben drei Söhne, und jeden haben sie fast Greg genannt. Deshalb wollte ich den Namen zumindest in meinen Cartoons zum Leben erwecken.
Greg spielt mitunter wahnsinnig gern Videospiele. Erlauben Sie das auch Ihren Kindern?
Wir in Amerika begrenzen die Zeit mit elektronischen Geräten auf maximal sechs Stunden am Tag … Nein, Spaß beiseite: Ich habe selbst als Kind stundenlang vor Bildschirmen gesessen. Aber als Vater habe ich natürlich versucht, meinen Kindern Grenzen zu setzen. Das klappt ja leider nur im jüngeren Alter, wenn die Kinder nur auf Computerspiele aus sind. Wenn aber Jugendliche ihr ganzes soziales Netz auf dem Smartphone versammeln, kommt bei solchen Regeln die Beziehung zu den Freunden womöglich zu kurz. Ein Thema, das alle Eltern auf der Welt verrückt macht, und die erzieherische Herausforderung unserer Zeit.
Ihre Familie kommt nicht gut weg in Ihren Büchern. Nimmt Ihnen das niemand übel?
Anfangs, als die Figuren noch sehr stark meiner Familie ähnelten, war der eine oder andere schon etwas sauer. Aber irgendwann wurde allen klar, dass es lustig gemeint ist. Die Charaktere haben sich außerdem immer weiter von den wahren Personen entfernt. Meine Familie hat mittlerweile richtig Spaß an Greg.
Wenn einer Ihrer Söhne ein Tagebuch über Ihr Familienleben schreiben würde, wie würden Sie wegkommen?
Ich wäre hoffentlich nicht der böse, sondern der gute Dad. Aber ich fürchte, meine Kinder würden mich ziemlich blöd aussehen lassen. Sie finden mich andauernd peinlich. Das ist wohl biologisch begründet: Kinder wachsen mit Hilfe der Eltern auf, machen aber irgendwann den Absprung. Deshalb ist es ganz natürlich, dass sie irgendwann sagen: „Hey, ich habe genug von euch!“ In dieser Phase befinden sich gerade meine Kinder.
Was hat der Ruhm mit Ihnen angestellt?
Die meiste Zeit fühle ich mich überhaupt nicht berühmt, sondern ziemlich allein. Es ist immer totenstill hier, meine Familie ist im Haus nebenan. Erst wenn ein neues Buch von mir herauskommt, verlasse ich diesen Ort und reise durch die Welt, auch nach Deutschland. Dann treffe ich meine Fans und bin von der Begeisterung jedes Mal völlig überwältigt. Ich führe also eigentlich zwei Leben.
Haben Sie beim Schreiben Ihrer Geschichten ähnlich viel Spaß wie Ihre Fans beim Lesen?
Nein, gar nicht. Spaß macht mir nur, das Buch am Ende in Händen zu halten. Das Schreiben aber ist harte Arbeit. Zuerst sammle ich Ideen, das mache ich bei langen Spaziergängen, und grabe dabei tief in meinen Kindheitserinnerungen. Bis ich genug Ideen für ein Buch zusammen habe, vergehen allein vier Monate. Das Buch selbst schreibe ich in einem Monat. Was mich aber vor allem Kraft kostet, ist das Zeichnen. Dafür sitze ich pro Band sechs Wochen lang täglich 14 bis 17 Stunden am Schreibtisch.
Gibt es dennoch eine Geschichte, die Sie besonders mögen?
Mir gefällt eine Geschichte aus meinem neuen Buch ganz gut: Greg und Rupert wollen einen Horrorfilm drehen, um reich zu werden und stellen sich dabei fürchterlich an.
Mit wie vielen weiteren Greg-Bänden können Ihre Fans rechnen?
Oh, da kommen noch einige. Meine Leser von heute werden an der Uni studieren oder verheiratet sein oder selbst Kinder haben, während ich immer noch Bücher über Greg schreiben werde. Greg dagegen wird die ganze Zeit über kein bisschen altern.
Haben Sie schon eine Idee für den nächsten Band?
Ich würde gern Gregs erste Reise im Flugzeug schildern. Der erste Flug ist ja für jedes Kind ein ziemliches Highlight. Mehr verrate ich aber nicht.