Am Sonntag startet das ZDF die 22. Staffel der britischen Erfolgsserie „Inspector Barnaby“. Der Titelheld lebt in einer eigenen Welt aus Idylle und Mordinflation.

Stuttgart - Wie bitte? Glamping? Inspector Barnaby hat mal wieder einen Trend verpasst. Von der immer erfolgreicher werdenden Komfortvariante des guten alten Camping, das nun zum Beispiel um Whirlpools, Dampfsaunen, Minihäuschen mit Federkernbetten und New-Age-Workshops zu Heiltees und Gute-Laune-Kristallen ergänzt wird, hat er noch nie etwas gehört.

 

Das ist aber kein Makel am konservativen Titelhelden einer der weltweit beliebtesten TV-Serien, die Großbritannien je hervorgebracht hat. Solche Unwissenheit ist der Markenkern von Barnaby: Der dem Pensionsalter mittlerweile gefährlich nahe rückende, von Neil Dudgeon verkörperte Beamte ist der Champion all jener Zuschauer, die schon lange nicht mehr alle Trends, Moden und Entwicklungen einer wandlungsfreudigen Welt in Echtzeit mitbekommen.

Alles Neumodische im Griff

Folge um Folge stößt Barnaby auf neumodisches Zeug, das ihm sein Assistent Sergeant Winter (Nick Hendrix) erklären darf. Dann schleicht sich die mickrigste Andeutung eines Lächelns oder ein schattenhaftes Stirnrunzeln auf das sonst sehr beständige Mittagsschläfchengesicht von Barnaby, womit alles Neue erst mal aus der Höhe des Erwachsenseins herab zu kindischem Kram erklärt wäre. Am Ende der Folge jedoch beherrscht Barnaby einen neuen Jargon mit hoheitlicher Beiläufigkeit, hat wieder mal ein Milieu durchschaut und das bisschen neuen Weizen darin von der vielen Spreu getrennt.

In der Folge „Das Wolfmonster von Little Worthy“, mit der das ZDF seine aktuelle Staffel „Inspector Barnaby“ eröffnet, ist es also das Glamping, das der Polizist kennenlernt, obendrein ein bisschen Fankultur der Horrorwelt und das Ineinander von Folklore und Retortenmärchen. Das Ungeheuer, auf das der Titel verweist, ist ein Hüne von menschlicher Gestalt, aber mit Wolfskopf, einem Spazierstock, der Wolfsabdrücke hinterlässt, messerartigen Metallklauen und obendrein einer antiken Vorderladerpistole.

Heile Provinz voller Morde

Diese Figur ist kein Überbleibsel alter Volkssagen, sondern frisch aus einem Wettbewerb hervorgegangen. Sie soll die Gegend rund um den Yarrow-Glamping-Campingplatz mit einer Gruselattraktion aufwerten. Leider scheint die fiktive Bestie nun echte Morde zu verüben.

Eine heile englische Provinz wird von einer wahren Inflation der bizarrsten Morde heimgesucht, ohne dass diese von Barnaby und Kollegen stabilisierte Welt dadurch nachhaltig erschüttert würde – das ist das Grundprinzip der Serie. Im Original heißt „Inspector Barnaby“ denn auch nach dem Schauplatz Midsomer, einer fiktiven Grafschaft, „Midsomer Murders“.

Ein eigener Kosmos

Ursprünglich basierte die Serie auf Figuren und Motiven aus den Krimis der mittlerweile 90-jährigen Autorin Caroline Graham, die erfolgreich in der Tradition der vorsätzlich unrealistischen, meist verquer nostalgischen britischen Knobelkrimis schrieb. Längst ist aber eine eigene Drehbuchautorenwerkstatt damit beschäftigt, Barnaby stets genug Leichen zu liefern.

Mit konventionellen Erwartungen an Spannung, Psychologie und Wahrscheinlichkeit kommt man „Inspector Barnaby“ nicht bei. Er ermittelt auch in der mittlerweile 22. Staffel in seinem eigenen Kosmos mit selbstsicherer Gemächlichkeit.

Inspector Barnaby: Das Wolfmonster von Little Worthy. ZDF, Sonntag, 22.15 Uhr. Neue Folgen sonntags, danach in der Mediathek.

Inspector Barnaby

Wachwechsel
Als „Midsomer Murders“ 1997 startete, verkörperte John Nettles Inspector Tom Barnaby. Als der 2011 nach 81 Folgen ausstieg, erfanden die Autoren einen jüngeren Cousin John Barnaby, der den Job übernahm: in Gestalt des Schauspielers Neil Dudgeon. Die Volte war nötig, weil die exportstarke Serie in etlichen Ländern als „Inspektor Barnaby“ etabliert war.

Skandal
2011 nannte der Produzent Brian True-May die Serie „die letzte Bastion des Englischen“ – in Midsomer gebe es noch keine Schwarzen und Asiaten. True-May musste abtreten. Mittlerweile, vermeldet der Sender ITV, seien in 37 Prozent der Gastrollen nichtweiße Schauspieler zu sehen.