Ein Gutachten hat ergeben, dass Stuttgart bei der Erforschung des Nationalsozialismus in der Landeshauptstadt mit Städten wie München, Köln und Frankfurt gut abschneidet. Allerdings gibt es in einigen Bereichen noch Defizite.

Stuttgart - In der Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus in Stuttgart nimmt die Landeshauptstadt einen respektablen vorderen Platz hinter München, Frankfurt und Köln ein. Dies ergibt das Gutachten, das der Historiker Frank Engehausen von der Universität Heidelberg erstellt und im Stadtarchiv vorgestellt hat. Dessen Leiter Roland Müller hatte Engehausen damit betraut und damit den Auftrag des Gemeinderates erfüllt, eine weitere Erforschung der NS-Geschichte Stuttgarts im Zusammenhang mit der Stadtverwaltung darzustellen.

 

Engehausen hebt das frühe Bemühen hervor, das Phänomen Nationalsozialismus zu erfassen. Die vom Kulturamt erarbeiteten Ausstellungen „Stuttgart im Dritten Reich“ in den Achtzigerjahren hätten entscheidende Anstöße gegeben, nicht zuletzt auch die Dissertation über „Stuttgart zur Zeit des Nationalsozialismus“ des heutigen Archiv-Leiter Roland Müller von 1988 mit besonderen Fokus auf die Kommunalverwaltungsgeschichte. Die Stadt hatte sie mit einem Stipendium ermöglicht, OB Manfred Rommel mit einem Geleitwort begleitet: „Das spiegelt die damalige Geschichtspolitik der Stadt wider“, stellt der Gutachter fest. Am Anfang sei die Erforschung der Judenverfolgung mit ersten Initiativen der Erinnerungskultur gestanden, bis heute ein Themenschwerpunkt. Publikationen widmen sich fortan allen Aspekten vom politischen Widerstand, den Schrecken des Krieges bis hin zur Täterforschung, für die das gerade eröffnete Hotel Silber als ehemaliger Sitz der Gestapo einen Meilenstein setzt.

Das Thema Zwangsarbeit wurde nicht ausreichend aufgebarbeitet

Aber Engehausen nennt auch sieben Themenfelder, die bisher nur unzureichend beackert worden seien. Als erstes die NS-Gesundheitspolitik, die über die Euthanasieopfer hinaus auf beteiligte Instanzen wie das Gesundheitsamt erweitert werden sollte. Zweitens die Zwangsarbeiter. Zwar sei der erzwungene Arbeitseinsatz für große Unternehmen wie Bosch und Daimler untersucht, kleinere Betriebe fehlten ebenso wie die Stadt als Arbeitgeber. Als drittes nennt Engehausen die Arisierung jüdischen Vermögens und als viertes die Raum-und Stadtplanung im Dritten Reich, die bereits die Grundlagen für die heutige autogerechte Stadt geschaffen hat und nach 1945 übernommen wurde.

„Die NS-Forschung muss über das Jahr 1945 hinausgehen“, mahnt Engehausen generell an. Auch beim Thema Kommunalverwaltung und Kontinuität des Personals. Sicher einer der Gründe für den sechsten Aspekt, die fortgesetzte Diskriminierung von Opfergruppen wie Sinti, Roma, sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrechern“, die meist vergeblich um Entschädigung kämpften. Bleibt als siebtes die Justiz, deren Verstrickung sich gerade eine Ausstellung im Stuttgarter Landgericht widmet, die aber, so Engehausen, dringend Thema einer Studie sein sollte.

Die „erfreuliche Breite an bürgerschaftlichen Initiativen“ (Müller) diskutiert rege und meldet weitere Defizite an. Zum Thema Arisierung jüdischen Vermögens sei eine Dissertation in Arbeit, kann der Archiv-Leiter mitteilen, ausgestattet mit einem Stipendium der Stadt.

Die Geschichte des Hotel Silber