Eine klare Mehrheit der Baden-Württemberger spricht sich nach einer Umfrage von SWR und StZ für die geplanten Diesel-Fahrverbote im Stuttgarter Talkessel aus. Das Land und OB Fritz Kuhn sehen sich bestätigt, die CDU im Rathaus sieht die Belange der Wirtschaft in der Umfrage zu wenig berücksichtigt.

Stuttgart - Eine klare Mehrheit der Bürger begrüßt die von der grün-schwarzen Landesregierung von 2018 an geplanten Einfahrverbote für Dieselfahrzeuge in den Stuttgarter Talkessel an Feinstaubalarmtagen, die die derzeit geltende Euronorm 6 nicht erfüllen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag der Stuttgarter Zeitung und des „Südwestrundfunks (SWR)“.

 

Demnach sprechen sich 57 Prozent der Befragten in Baden-Württemberg für ein solches Fahrverbot aus, 38 Prozent halten es für falsch. Selbst in der Region Stuttgart finden die Restriktionen mit 48 Prozent noch eine Mehrheit, 45 Prozent sprechen sich dagegen aus.

Das Fahrverbot soll an jenen Tagen gelten, an denen die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid ansonsten absehbar überschritten würden. Es würde den bisherigen Feinstaubalarm ersetzen, bei dem Autofahrer aufgefordert werden, ihr Fahrzeug freiwillig stehen zu lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Was Menschen in der Stuttgarter Innenstadt über das Fahrverbot denken, berichten sie in unserer Video-Umfrage:

Infratest dimap hat die Zustimmung oder Ablehnung zu den geplanten Fahrverboten auch hinsichtlich der Parteipräferenz der Befragten untersucht. 72 Prozent der Grünen-Anhänger befürworten die Einfahrverbote für ältere Diesel, die die Euro-6-Norm nicht erfüllen, 62 Prozent der SPD-Anhänger tun dies ebenfalls. Überraschend ist der hohe Anteil der CDU-Anhänger, die sich auch mit den geplanten Fahrverboten anfreunden können: 56 Prozent sind dafür, lediglich 39 Prozent lehnen sie ab. Bei FDP- und AfD-Anhängern überwiegt dagegen eine ablehnende Haltung: 54 Prozent der den Liberalen nahestehenden Befragten sprechen sich gegen das Fahrverbot für ältere Dieselmodelle aus, bei den AfD-Anhängern sind es sogar 63 Prozent.

OB und Verkehrsminister sehen sich in ihrer Luftreinhaltungspolitik bestätigt

Nach Geschlechtern aufgeschlüsselt befürworten 61 Prozent der Frauen die Maßnahme, mit der das Land die Einhaltung der geltenden EU-Schadstoffgrenzwerte erreichen will. Aber auch eine Mehrheit von 54 Prozent der befragten Männer sind für das Verbot. Die Mehrheit zieht sich quer durch alle Altersgruppierungen: Am deutlichsten fällt die Zustimmung in der Gruppe der 18- 34-Jährigen (60 Prozent) sowie bei älteren Menschen ab 65 Jahren (61 Prozent) aus. Für die Umfrage hatte das Institut vom 3. bis 7. März insgesamt 1004 repräsentativ ausgewählte Bürger telefonisch befragt. Die Fehlertoleranz beträgt nach Angaben von Infratest dimap 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte.

Beim Land, der Stadtverwaltung und im Gemeinderat lösen die Umfrageresultate ein unterschiedliches Echo aus. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärte: „Ich freue mich, dass es bei einem so umstrittenen Thema wie den Verkehrsbeschränkungen an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung der Luft eine klare Zustimmung zur Politik der Landesregierung gibt. Viele Menschen halten es offenkundig für notwendig, mehr für Lebensqualität und saubere Luft zu tun.“ Dies zeige auch eine Bereitschaft zum Umdenken sowie Offenheit für umweltfreundliche Verkehrsmittel. Gleichwohl bleibe es eine Herausforderung, noch mehr Menschen zu überzeugen, im Interesse der Gesundheit in Richtung einer nachhaltigen Mobilität umzusteuern. Sein Parteifreund OB Fritz Kuhn sagte kurz und knapp: „Ich finde es schon bemerkenswert, dass es eine klare Mehrheit bei den Bürgern im Land für Fahrverbote gibt.“

Der CDU kommen die Belange von Handel und Industrie in der Umfrage zu kurz

Alexander Kotz, Vorsitzender der Fraktion im Gemeinderat, die sich im Gegensatz zur Landes-CDU gegen Fahrverbote stark macht, interpretiert das Ergebnis auf seine Weise: Es sei wenig überraschend, dass es im Stuttgarter Umland eher „ein Patt“ bei der Frage nach Fahrverboten gebe, während sich landesweit und in der Stadt eine Mehrheit dafür ausspreche. Kotz moniert auch die Fragestellung: „Vielleicht hätte man erst einmal erklären müssen, was die Euronorm 6 ist und es sich bei den älteren Dieselfahrzeugen nicht um alte Rußschleudern handelt.“ Würde man die Unternehmen und die Handelsverbände befragen, würde man sicher zu ganz anderen Ergebnissen kommen, so der Christdemokrat.

Der SPD-Ratsfraktionschef Martin Körner sagt, man komme in der aktuellen Situation vor dem Hintergrund anstehender Gerichtsentscheidungen sowie den angekündigten Strafzahlungen aus Brüssel bei Nichteinhaltung der Grenzwerte um Fahrverbote nicht herum, wenngleich „niemand ein Fan davon ist“. Sein Parteifreund, der Ulmer Landtagsabgeordnete Marin Rivoir, hatte dagegen kürzlich das von der Landesregierung geplante Fahrverbote als „kalte Enteignung“ der Autofahrer kritisiert. Gemeinderatsfraktionschef Körner plädierte erneut für die Einführung der Blauen Plakette für besonderes schadstoffarme Diesel, die allerdings von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bisher strikt abgelehnt wird.