Erika Stucky hat am Neujahrsabend im Theaterhaus alten Kinomonstern gehuldigt und zarte Liedergesungen. Und noch verraten, was Godzilla in ihren Träumen tut.

Stuttgart - Alle Jahre wieder kommt Erika Stucky am Neujahrsabend ins Theaterhaus. Früher war das der einzige spielfreie Tag im Jahr, seit neun Jahren jedoch ist er für die Performance-Künstlerin aus Mörel in der Schweiz reserviert. Wie jedes Jahr platzt der Saal aus allen Nähten. „In Stuttgart, da kommen sie und nehmen alles, was sie kriegen. Aber jedes Mal etwas anderes“, sagt sie gerührt, aber mit einem kleinen spöttischen Lächeln.

 

Dieses Mal kriegen sie King Kong, Godzilla, Frankenstein und Dracula, lauter furchterregende Monster aus der Schwarzweißfilmzeit – und wie immer bei Erika Stucky jede Menge Musik. Die hochenergetische Schweizerin singt sich mit ihrer kraftvollen Stimme polyglott, akzentfrei und ruckzuck in die Herzen ihres sehr aufmerksam lauschenden Publikums. Als Begleiter hat sie diesmal mit Jon Sass und Ian Gordon-Lennox zwei virtuose Tubaspieler mitgebracht, die für ordentlich Tiefe sorgen. Der dritte Mann heißt FM Einheit, ein Rhythmusmensch, der schon in den 80er Jahren bei den Einstürzenden Neubauten seine Noise Art zelebrierte.

Überlebensgroße Schattenbilder

Inzwischen ist die Mähne grau und die Stimme heiser, als FM Einheit gleich zu Beginn brüllt wie ein Leu. Die Bühne ist schwarz, eine Farbe, die unheilvoll und bedrohlich wirken kann. Nur Stuckys große Haarschleife leuchtet wie eine rote Plastikblume. Auf einer riesigen Leinwand erscheinen wacklige Aufnahmen, die Stucky mit einer alten Super-8-Kamera von Stummfilmen kopiert und mit bewegten Bildern aus dem New Yorker Underground der Warhol-Ära montiert hat. „Die Kopie von der Kopie von der Kopie, bis man nichts mehr erkennt“, lacht sie. Ihr eigenes Schattenbild bewegt sich überlebensgroß auf der Leinwand. Schwarz wie ein Scherenschnitt. Einmal macht Stucky einen Katzenbuckel und fächert ihre schlanken Hände auf, bis sie aussehen wie die Klauen des Vampirs in „Nosferatu“.

Entführt von einem Monster

Auch musikalisch funktioniert die Montagetechnik. Auf „Temptation“ (1933), einen Song über die Lust am Leiden, den einst Bing Crosby interpretiert hatte, folgt die starke Stones-Nummer „Sympathy for the Devil“ (1968), nach ihrer Version von Fred Astaires zärtlichem „Cheek to Cheek“ (1935) streut Stucky als expressiven Sprechgesang „I am the Walrus“ (1967) von den Beatles ein und singt lustbetont „Baby one more time“ von Britney Spears’ Debütalbum (1999).

Nur allzu gerne lässt Erika Stucky am Jahresbeginn das Biest in sich ans Freie - „The Beast in me“ singt sie vibratolos Nick Lowes Titel – und bekennt, wie gerne sie sich von einem wie Godzilla entführen lassen würde. Mit diesem japanischen Riesen Wange an Wange zu tanzen, sei für sie der Himmel, fährt sie fort mit ihrer allersinnlichsten Stimme. Und sagt am Ende – sehr zur Überraschung des Stuttgarter Publikums - laut und vernehmlich: „Sodele!“