Auch für die mitgereisten Reporter war der 7:1-Sieg der DFB-Auswahl gegen Brasilien bei der WM 2014 ein epochales Ereignis. Unser Sportredakteur Marko Schumacher erinnert sich an den Nachmittag, an dem niemand glauben konnte, was auf dem Rasen geschah.

Stuttgart - In Block 308, Reihe I, Platz 16 des Estádio Governador Magalhães Pinto von Belo Horizonte sitzt am späten Nachmittag jenes 8. Juli 2014 der Sportreporter Hartmut Scherzer vor seinem Laptop und kann nicht glauben, was passiert. Scherzer ist 76 Jahre alt. Er saß einst in Kinshasa bei Muhammad Ali in der Umkleidekabine, hat seit der Endrunde 1958 in Schweden keine Fußball-WM verpasst, den jungen Pelé spielen sehen, Beckenbauer und Maradona. So etwas hat aber auch er noch nicht erlebt. Während der ersten Hälfte klappt Scherzer sein Laptop vorübergehend zu und schaut mit feuchten Augen nach unten. Er will ihn jetzt erst einmal genießen, diesen Moment, der ein historischer ist.

 

Die Brasilianer haben ihre Hymne nicht gesungen, sondern gebrüllt

Wir alle, die da oben auf der Pressetribüne sitzen und beim Halbfinale der WM 2014 zwischen Gestgeber Brasilien und Deutschland Zeugen eines epochalen Fußballspiels werden, sind ergriffen, berauscht, fassungslos. Noch eben konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen, weil die elf brasilianischen Spieler und ihre 60 000 Fans die Hymne nicht gesungen, sondern gebrüllt haben. Und jetzt sieht man auf den Bildschirmen die tränenverschmierten Gesichter von erwachsenen Menschen in gelben Trikots. Dabei ist noch keine halbe Stunde gespielt.

Thomas Müller hat nach elf Minuten das 1:0 erzielt, dann folgten vier weitere Tore binnen sechs Minuten: Der Treffer von Miroslav Klose, der den Stürmer zum besten WM-Torschützen der Geschichte macht, der Doppelpack von Toni Kroos und schließlich der Todesstoß von Sami Khedira, mit unglaublicher Leichtigkeit herausgespielt. Nach 29 Minuten steht es in diesem Halbfinale 5:0 für das Team mit den den rot-schwarz- gestreiften Trikots. Brasilien liegt in Trümmern.

Ganze Bücher erscheinen anschließend über dieses eine Fußballspiel

Die Deutschen belassen es nach der Pause bei zwei weiteren Toren durch André Schürrle und gönnen dem Gastgeber den Ehrentreffer in der Schlussminute. 7:1. Später werden ganze Bücher über dieses eine Spiel erscheinen. Jetzt aber fehlen uns die Worte, um zu beschreiben, was gerade passiert ist, knapp 10 000 Kilometer von der Heimat entfernt. Wir versuchen es trotzdem – irgendwie müssen die Texte ja geschrieben werden. „Das Wunder von Belo Horizonte“, so lauten die Überschriften in den deutschen Zeitungen. Im brasilianischen Sportblatt „Lance“ steht: „Eine unvergleichliche Folter“.

7:1.