Eritrea-Krawalle in Stuttgart Der Arm des Regimes reicht bis ins Exil

Demonstration von Eritreern in Stuttgart Foto: 7aktuell.de/Andreas Werner

Viele Eritreer sind nach Deutschland geflohen. Auch Regimekritiker können sich dem Zugriff der heimischen Diktatur aber kaum entziehen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Aktuell leben etwa 90 000 Eritreer in Deutschland. Etwa 25 000 hatten bereits während des Unabhängigkeitskrieges (1961 bis 1991) hier Zuflucht gefunden. Nach 2013 stieg die Zahl der Flüchtlinge aus dem ostafrikanischen Land stark an. Seit zehn Jahren zählt es zu den wichtigsten Herkunftsländern der Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen. 2016 waren dies 18 854, im vergangenen Jahr knapp 4000, im laufenden bisher 2753.

 

84 Prozent der eritreischen Flüchtlinge haben einen anerkannten Schutzstatus. Die meisten von ihnen werden aber nicht als Asylbewerber anerkannt (2022 nur 1,6 Prozent) und erhalten nur noch subsidiären Schutz – was mit rechtlichen Nachteilen verbunden ist. Nach einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sind die eritreischen Flüchtlinge im Durchschnitt 30 Jahre alt. 61 Prozent der Männer sind erwerbstätig (zum Vergleich: 50 Prozent der Syrer). 36 Prozent haben keinen Schulabschluss, 17 Prozent die Hochschulreife, fünf Prozent ein akademisches Examen.

Das Regime kassiert von Flüchtlingen „Diasporasteuer“

Bamf-Umfragen zufolge sind 45 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen aus Eritrea unzufrieden mit ihrem Leben in Deutschland. Die Unzufriedenheit ist deutlich größer als unter den Syrern. Das mag auch mit dem langen Arm des Regimes zu tun haben, dessen Zugriff bis ins Exil reicht, wie die Hamburger Afrika-Expertin Nicole Hirt im Auftrag des Sachverständigenrats zu Migration und Integration herausgearbeitet hat. Die Exilanten seien eine „willkommene ständige Einnahmequelle“ für die Machthaber in Asmara. Überweisungen aus dem Ausland machten etwa ein Drittel des Staatshaushalts aus. Das Regime fordere eine Art „Diasporasteuer“ von eritreischen Auswanderern. Auch Regimekritiker seien gezwungen, diese zu bezahlen, wenn sie auf Dienstleistungen von Behörden (Reisepass oder Geburtsurkunde) angewiesen sind. Bis vor Kurzem mussten Flüchtlinge zudem einen „Reuebrief“ unterschreiben, bevor sie von dort einen Pass bekommen. In dem Schreiben mussten sie ihr Bedauern kundtun, Eritrea illegal verlassen zu haben, und erklären, im Falle der Rückkehr jegliche Art von Strafe zu akzeptieren. Im Oktober 2022 hat das Bundesverwaltungsgericht diese Praxis für unzulässig erklärt. Jetzt müssen deutsche Behörden den erwünschten Pass ausstellen.

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