Nichts für Helikoptereltern: Im Wieslaufcamp lernen Kids bei einem Naturparkführer, wie man Feuer macht, Holz hackt – und, dass Brennnesseln richtig gut schmecken können.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Rudersberg - Höchste Konzentration steht den drei Jungs ins Gesicht geschrieben. Zwei halten sich bereit, Zunder zu geben, während der dritte einen Feuerstarter aus Magnesium bearbeitet. Funke für Funke verfehlt die anzuzündende Watte – bis endlich ein kleines Flämmchen entsteht. „Jetzt keine Hektik. Langsam etwas Rinde drauflegen“, rät Walter Hieber. Der Naturparkführer aus dem Schwäbischen Wald hat bei Rudersberg sein Wieslaufcamp eingerichtet. Immer wieder kommen Kinder, für die Klassenfahrt oder, wie heute, im Rahmen des Ferienprogramms.

 

Ein Teil des Camps ist oft die Übernachtung. Zwei Kinder sind am vorigen Abend abgeholt und am Morgen wieder gebracht worden. Aber wer ein echter Abenteuerer ist, schläft mit Isomatte und Schlafsack im Camp. Manche im Häuschen, andere in selbst gebauten Lagern, die ganz harten unter freiem Himmel. Ob sie Angst hatten? Ein paar Mädchen lachen: „Natürlich nicht. Die anderen sind doch da.“ Eine unheimliche Begegnung gab es aber: „Ich hatte eine Spinne im Schlafsack“, erzählt eine 12-Jährige. Das sei aber nicht allzu schlimm: „Ich bin auf Besuch hier und wohne in Argentinien. Dort gibt es Schlangen.“

Kein einziger Wieslaufcamp-Teilnehmer hängt am Smartphone

Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht, lautet ein alter Reim. Im Wieslaufcamp ist diese Regel außer Kraft gesetzt – dank fachkundiger Anleitung, betont Hieber. Ein paar Meter neben ihm sind gerade zwei Jungs dabei, Holz zu hacken. Die Beile krachen abwechselnd ins Holz – „kein Problem, wenn man ihnen vorher zeigt, wie man damit umgeht“, sagt der Naturparkführer. Für übervorsichtige Helikoptereltern wäre dieser Anblick wohl nur schwer auszuhalten. „Aber die würden ihre Kinder nicht hier anmelden“, ist Hieber überzeugt. „Außerdem hat sich inzwischen herumgesprochen, dass hier nicht viele Unfälle passieren.“

An einem der Tische fliegen gerade Späne. Ein paar der Kinder schnitzen Zwergenfiguren aus Holzpflöcken. Bei ihnen sitzt Raphael, 15 Jahre alt, und ein richtiger Wieslaufcamp-Veteran. Er war schon oft dabei – dieses Mal ist er Betreuer. „Ich war schon immer gern draußen. Das ist doch ein toller Ausgleich zum Handy“, meint er.

Tatsächlich ist kein einziger Teilnehmer zu sehen, der hinter seinem Smartphone hängt. Und keinem scheint das etwas auszumachen: Rund um Hieber tobt jetzt das Leben. 15  Kids zwischen sieben und zwölf Jahren haben sich im Gelände rund um die kleine Hütte verteilt. Manche planschen in der Wieslauf, manche turnen im Netz, das über den Bach gespannt ist. Andere haben sich ins Gebüsch geschlagen, um an ihren Hütten zu bauen. „Das Ziel ist es, die verlorene Nähe zur Natur zurückzugewinnen. Die gehört doch zur menschlichen Natur“, meint Hieber. Viel Programm bräuchten die Kinder gar nicht, meint Hieber.

Fackellauf durch den Wald und Schokobananen vom Grill

So lernen die Kinder ganz nebenbei, dass Brennnesselblätter, gesalzen und über dem Feuer in einer Pfanne gebraten, richtig gut schmecken und über dem offenen Feuer sogar Pizza und Schokobananen gelingen. Sie ziehen abends mit Fackeln durch den Wald und beobachten Fledermäuse. „Gestern mussten wir auch einige Zeit von der Hütte weg, damit das scheue Rotschwanz-Pärchen seine Jungen füttern konnte“, erzählt Hieber. So lernten die Kinder hautnah, was Rücksichtnahme heißt.

Das Feuer ist inzwischen verloschen – eigentlich ist es draußen eh heiß genug. An der Feuerstelle entspannt sich jetzt der elfjährige Jurij. „Ich bin schon mindestens zum sechsten Mal dabei“, erzählt er. Wer weiß, vielleicht sitzt er auch in ein paar Jahren als Betreuer hier und zeigt anderen, wie man aus Holzpflöcken Zwerge schnitzt.