Die Trümmergruppe vom Landesverband des Roten Kreuzes übt die Suche nach Opfern im Erlebnispark Tripsdrill.

Cleebronn - Josefine weiß offenbar genau, was zu tun ist. Die zehnjährige Hündin läuft los, duckt sich unter Balken, springt über Zäune und zieht immer größere Kreise unter dem Gebälk der riesigen Mammut-Achterbahn im Erlebnispark Tripsdrill. Immer wieder reckt sie ihre Schnauze in die Höhe: Sie versucht, eine Witterung aufzunehmen. Plötzlich fängt die Mischlingshündin an zu bellen, stellt sich auf die Hinterbeine und streckt den Kopf nach oben. Ihre Besitzerin Frauke Leuschner versteht: Sie schaut oben auf der Achterbahn nach – und entdeckt dort einen DRK-Kollegen. Josefine hat ihre Arbeit gut gemacht.

 

Josefine und Frauke Leuschner gehören seit einigen Jahren zur Trümmergruppe des DRK-Landesverbandes. Sie sind eines von 30 Teams, die am Wochenende im Erlebnispark Tripsdrill trainiert haben. Einmal im Monat kommen die Hundeführer mit ihren Tieren für ein Wochenende zusammen, um die Suche von Opfern zu üben. „Die Trümmerarbeit ist sehr anspruchsvoll, sie erfordert kontinuierliches Training“, erklärt Ralf Strecker, Leiter der Landestrümmergruppe.

Erlebnispark birgt viele neue Herausforderungen

Tripsdrill ist für die Gruppe ein wahres Paradies. Denn der Erlebnispark bietet zahllose ungewöhnliche Verstecke. „Das Neue und Unbekannte ist wichtig“, sagt Strecker. Nur mit einer breit angelegten Ausbildung könne man die Trümmerteams für den Ernstfall wappnen. Denn ein solcher kann jedes Mal anders aussehen: Die Truppe kann ebenso beim Einsturz eines baufälligen Hauses gerufen werden wie bei Erdrutschen oder Erdbeben. Auch beim Einsturz der Eishalle in Reichenhall waren Trümmersuchhunde im Einsatz.

Meist werde auf Abbruchbaustellen trainiert, erzählt Strecker – aber da müsse sehr aufgepasst werden, allein schon aus Haftungsgründen. In Tripsdrill hingegen biete schon die Infrastruktur zig Möglichkeiten für tolle Übungen: dunkle Kellergewölbe, Balken in der Höhe oder Räume unter Luken im Boden. Für die Hunde sei es besonders schwierig, Opfer zu finden, die sie nicht sehen und an die sie nicht herankommen – doch genau diese Situation sei im Ernstfall wahrscheinlich. „Aber wir stellen keine unlösbaren Aufgaben“, stellt Strecker klar. Denn die Hunde brauchten Bestätigung – die größte Motivation sei die Aussicht auf ein Leckerli.

Hunde müssen mittelgroß und gesund sein

Nicht jeder Hund darf bei dieser Spezialtruppe mitmachen: Zu kleine Tiere sind nicht geeignet, weil sie nicht über bestimmte Hindernisse hinwegkommen, zu große haben meist nicht die erforderliche Kondition. „Geeignet sind alle Hunde, die mittelgroß und gesund sind und Lust haben zu arbeiten“, sagt Strecker. Zudem müssten sie „verträglich“ sein, wie der Gruppenleiter es nennt: Wer ständig andere angreife oder „jedes Stückle Weg“ als sein Revier verteidige, komme für die Arbeit nicht infrage.

Auch zu alte Vierbeiner seien nicht erwünscht: „Der Hund muss körperlich fit sein, die Trümmersuche ist sehr anstrengend“, erklärt Strecker. Auch deshalb sind die Übungen stets für ein ganzes Wochenende angesetzt. Denn die Tiere können nicht ununterbrochen suchen: Nach 20 bis höchstens 30 Minuten im Einsatz brauchen sie erst einmal mindestens zwei Stunden Pause, um sich zu erholen.

Hundeführer müssen ihre Tiere unterstützen

Doch auch die Hundeführer können sich nicht einfach zurücklehnen. Sie müssen ihr Tier bei der Suche unterstützen, beispielsweise den Radius eingrenzen, wenn klar ist, wo in etwa sich das Opfer befinden müsste. Zudem müssten sie sich stets in die Situation der Hunde hineindenken, sagt der Ausbilder Dominik Theiler: Weil die Suche über die Witterung funktioniere, müsse der Hund stets mit der Nase im Wind suchen – Aufgabe des Herrchens sei es deshalb, an der richtigen Stelle mit der Suche zu beginnen.

Doch nicht nur Suchaktionen werden in Tripsdrill geübt. Leo, ein Mischling aus Golden Retriever und Galgo-Windhund, trainiert zum Beispiel an einer Hängebrücke. Er macht seine Sache gut und läuft gleich schnurstracks hinüber – sein kleiner Vorgänger hatte sich nur zentimeterweise vorwärts gewagt. „Für die Hunde ist es nicht einfach, über den wackeligen Steg zu laufen“, erklärt Leos Besitzerin Bettina Stock-Gruner. Dass Leo so forsch ist, freut sie, denn sie und ihr Hund sind zum ersten Mal bei der Trümmergruppe dabei. Josefine, der Appenzeller-Husky-Mischling von Frauke Leuschner, hingegen wird vermutlich bald ausscheiden: Mit ihren zehn Jahren gehört sie zu den Senioren. „Sie geht bald in Rente“, sagt Leuschner und lacht.

Spezialgruppe für den Ernstfall

Einsätze:
Die Trümmergruppe vom Landesverband Baden-Württemberg des Roten Kreuzes wird bei Einsätzen gerufen, bei denen Opfer unter Trümmern, beispielsweise von eingestürzten Gebäuden, vermutet werden. Die Suchhunde werden dafür ausgebildet, die Witterung verschütteter Menschen aufzunehmen und diese aufzuspüren. Zuletzt wurde die Trümmergruppe 2013 gerufen, als in Heidenheim ein Wohnhaus nach einer Gasexplosion eingestürzt war.

Geschichte
: Die Landestrümmergruppe des DRK wurde 2002 ins Leben gerufen, um die Ausbildung zur Trümmersuche professioneller gestalten zu können. Derzeit sind rund 30 Teams – je ein Mensch und sein Hund – bei der Gruppe aktiv. Sie alle sind Mitglieder bei einer der landesweit 31 Rettungshundestaffeln des Roten Kreuzes. Seit ihrer Gründung war die Landestrümmergruppe insgesamt sechsmal bei einem Ernstfall im Einsatz.