Die Ermittlungen an zwei Hochschulen werfen Fragen nach der Rolle der Ressortchefin Theresia Bauer auf. Weder Heilbronn noch in Ludwigsburg sah sie eine strafrechtliche Relevanz. Im Fall der DHBW stehen Experten für Regeltreue unter Verdacht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Theresia Bauer wich der heiklen Frage aus. Ob sie Verständnis habe für die Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft Heilbronn zur Dualen Hochschule (DHBW) und der Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz? Oder erschienen ihr diese abwegig? Sie nehme das Verfahren „zur Kenntnis“, kommentiere es aber nicht, sagte die grüne Wissenschaftsministerin dieser Tage. Das Ergebnis bleibe abzuwarten. Wichtig sei nun, dass die Dinge „mit der nötigen Gründlichkeit und dem möglichen Tempo“ geklärt würden.

 

Noch vor neun Monaten hatte Bauer etwas anders geklungen. Damals erklärte sie die Vorwürfe eines Professors, der Strafanzeige gegen den DHBW-Präsidenten Reinhold Geilsdörfer erstattet hatte, bereits für aufgearbeitet. Mit seinem nahtlosen Wechsel als Geschäftsführer zur Dieter Schwarz Stiftung werde er dafür belohnt, dass er den Ausbau des Hochschulstandortes Heilbronn im Sinne des Lidl-Gründers vorangetrieben habe? „Nicht gerechtfertigt“ seien die Anschuldigungen, konstatierte der von dem Daimler-Vorstand Wilfried Porth und Bauer geleitete Aufsichtsrat. Sie würden weder den „besonderen Verdiensten“ Geilsdörfers noch der „herausragenden Bedeutung“ der Zusammenarbeit mit der Stiftung gerecht. Alle Entscheidungen zu Heilbronn seien schließlich von den Gremien getroffen worden.

Chefankläger ordnet Ermittlungen an

Zunächst konnte sich die Ministerin von der Justiz bestätigt sehen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart lehnte es ab, Ermittlungen aufzunehmen. Begründung: Geilsdörfers Einsatz für Heilbronn könne auch ganz andere Gründe als den im Stiftungsposten gehabt haben. Zudem fehlten ausreichende Anhaltspunkte für eine „Unrechtsvereinbarung“, die der DHBW-Chef und die Stiftung weit von sich wiesen. Der Professor legte Beschwerde ein, monatelang war nichts zu hören. Dann nahm der Vorgang eine Wende: Die Stuttgarter Generalstaatsanwaltschaft beurteilte die Vorwürfe kritischer und bat die Heilbronner Anklagebehörde um eine erneute Überprüfung. Dort wurden tatsächlich Ermittlungen eingeleitet, wegen Bestechlichkeit gegen Geilsdörfer und wegen Bestechung gegen nicht benannte Verantwortliche der Stiftung. Ende Mai rückten vier Staatsanwälte und 16 Polizisten zur Razzia aus. Durchsucht wurden die Privatwohnung Geilsdörfers, die Geschäftsräume der Stiftung und drei DHBW-Standorte. Nun werden die sichergestellten Unterlagen ausgewertet und Zeugen vernommen. Dass Schwarz Ehrenbürger und Wohltäter von Heilbronn sei, spielt laut einer Justizsprecherin keine Rolle: Man ermittele „ohne Ansehen der Person des Beschuldigten und seiner etwaigen Beziehungen zu Dritten“. Es gehe darum, den Anfangsverdacht zu erhärten oder auszuräumen.

„Wir dulden keine Korruption“

Justizinsider rechnen eher damit, dass das Verfahren am Ende eingestellt wird. Vor allem die für eine Anklage notwendige „Unrechtsvereinbarung“ gilt als hohe Hürde. Doch dass die Angelegenheit überhaupt derart eskalieren konnte, wirft Fragen an alle Beteiligten auf. Bei Ministerin Bauer ist es bereits der zweite Fall, in dem sie die strafrechtliche Relevanz von Vorgängen verkannt oder ignoriert hat. Bei der Affäre um fragwürdige Zulagen für Professoren an der Verwaltungshochschule Ludwigsburg sorgte auch ihr Ressort dafür, dass die Staatsanwaltschaft lange ferngehalten wurde. Inzwischen wird seit Monaten wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt, jüngst gab es erneut Durchsuchungen in der Hochschule und bei fünf Beschuldigten. Mehr Problembewusstsein wäre wohl auch im Fall DHBW angezeigt gewesen – im Ministerium, aber auch bei den Beteiligten. Alle haben sich schließlich Compliance, also Regeltreue, auf die Fahnen geschrieben.

Erst 2015 war unter Geilsdörfer bei der DHBW ein umfassender „Compliance Kodex“ erlassen worden. „Wir dulden keine Korruption“, heißt es darin, „wir bestechen nicht und lassen uns nicht bestechen“. Die Mitarbeiter wurden sensibilisiert, keinerlei persönlichen Vorteile mit Bezug zu Diensthandlungen anzunehmen. Schon der „Anschein einer Einflussnahme“ sei zu vermeiden, weil er dem Ruf der Hochschule schade. Beim Wechsel des DHBW-Chefs zur Dieter Schwarz Stiftung, monierten interne Kritiker, habe das wohl nicht gegolten. Tatsächlich wiegt der Anfangsverdacht, den die Staatsanwaltschaft jetzt bejahte, schwerer als ein bloßer Anschein.

Hohe Expertise in Sachen Regeltreue

Auch die Dieter Schwarz Stiftung verfügt über hohe Expertise in Sachen Regeltreue. Die von ihr getragene German Graduate School in Heilbronn nennt Compliance Management als einen ihrer Schwerpunkte. Dieses werde „angesichts zunehmender Regelungsdichte, verstärkter Ermittlungstätigkeit der Behörden und gestiegener Sensibilität der Öffentlichkeit … immer wichtiger“. Zu erfolgreicher Unternehmensführung gehörten „das Verständnis und die Einhaltung von relevanten rechtlichen und ethischen Normen“.

Solches Wissen hindert die Schule indes nicht an einem merkwürdigen Eintrag auf ihrer Homepage: Unter der Rubrik „Bildungseinrichtungen der Dieter Schwarz Stiftung“ wird da auch die DHBW-Außenstelle Heilbronn aufgeführt – eine immer noch staatliche Hochschule, die der Lidl-Gründer für 15 Jahre zur Hälfte finanziere. So verschwimmen die Grenzen zwischen Stiftung und Hochschule.

Professor nimmt Ministerin ins Visier

Jener Professor, der die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte, nimmt nun Ministerin Bauer ins Visier. Sie sei als DHBW-Aufseherin ebenso wie der Chefkontrolleur Porth abzuberufen, weil sie im Fall Geilsdörfer „massiv ihre Aufsichtspflicht verletzt“ habe, fordert er. Anstatt eine wirkliche Aufarbeitung zu veranlassen, seien strafrechtlich relevante Vorwürfe von ihr „verschleiert“ worden.