Der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) hat im Krankenhausausschuss ein ernüchterndes Fazit über die Ermittlungen im Klinikum gezogen. Die umstrittenen Libyen- und Kuwait-Projekte sind noch dubioser als bisher vermutet.

Stuttgart - Der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) hat am Freitag im Krankenhausausschuss ein ernüchterndes Fazit über die Ermittlungen im Klinikum gezogen. Die umstrittenen Libyen- und Kuwait-Projekte sind noch dubioser als bisher vermutet. Vertreter des Rechnungsprüfungsamts und der Anwaltskanzlei BRP Renaud und Partner sprachen von „dolosen Handlungen“. Gemeint sind Bilanzmanipulationen, Untreue, Unterschlagung und alle anderen zum Schaden des Unternehmens vorsätzlich durchgeführten Handlungen. Neben Steuerfahndern und Staatsanwälten versuchen sie das Chaos in der Klinikumabteilung International Unit (IU) nachzuvollziehen.

 

Im Posteingang des Abteilungsleiters Andreas Braun hat man offenbar 20 000 unsortierte E-Mails gefunden. Die Prüfer beklagen „eine hohe Intransparenz bei der Anbahnung und Durchführung der Projekte“. Diese Erkenntnis ist nicht neu, die Stuttgarter Zeitung berichtet seit Monaten über Missstände und Ungereimtheiten.

Die IU liegt 14,3 Millionen Euro unter Plan

Föll kritisierte unklare Vertragshinhalte, einseitige Risiken für das Klinikum und das Fehlen von Rechnungen. Die Stadt prüfe „in Abstimmung mit den Versicherungen auch Regress- und Haftungsansprüche gegen Beteiligte“. Damit ist in erster Linie der freigestellte Andreas Braun gemeint sowie der mit 900 000 Euro abgefundene Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz und der nach Frankfurt gewechselte Ärztliche Direktor Jürgen Graf.

Föll will die „erfolgreiche medizinische Behandlung von ausländischen Patienten“ fortsetzen, dabei soll aber auf Vermittlungs- und Betreuungsdienste verzichtet werden. Welche Auswirkungen das hat, wenn solvente Bürger von der arabischen Halbinsel nicht nach Stuttgart gelotst werden, steht im aktuellen Monatsbericht des Klinikums: Die IU liegt 14,3 Millionen Euro unter Plan.

Klagen können auch Kaufhäuser und Hotels. Die Kuwaitis erhalten monatlich rund 16 000 Euro Auslagenersatz von ihren Botschaften, die sie bisher in Stuttgart ausgaben. Föll sagte, für die beiden Projekte seien 2015 rund 9,8 Millionen Euro Rückstellungen und Wertberichtigungen gebildet worden. Das prognostizierte Jahresergebnis für die Krankenhäuser beträgt nun minus 11,9 Millionen Euro, geplant waren acht Millionen. Für Klinikumsverhältnisse ist dieses Defizit gering.

In den vergangenen Monaten sorgte der Abrechnungsskandal beim Libyen-Projekt für Schlagzeilen. Auch gegen den Vermittler Nabel Abu-Rikab waren Vorwürfe erhoben worden. Jetzt deuteten die Prüfer an, dass dieser wohl doch keine Schuld an dem Debakel trage. Der Ludwigsburger hatte stets beteuert, alle Vorgänge belegen zu können und den Ermittlern seine Zusammenarbeit angeboten.

Nun rückt die auf drei Jahre angelegte Vereinbarung mit dem Gesundheitsministerium Kuwait in den Mittelpunkt, denn auch dieses Vorhaben läuft nicht rund. Das Klinikum hatte zugesagt, im Al-Razi-Krankenhaus für Orthopädie mit einem Team aus erfahrenen Operateuren, Anästhesisten und Krankenpflegern zu helfen. Arbeit gibt es dort genug, vor allem schwierige Fälle. Wegen niedriger Sicherheitsstandards verunglücken auf den Großbaustellen viele Hilfsarbeiter aus Asien, die fehlende Gurtpflicht sorgt für viele Schwerverletzte unter den Kuwaitis.

Rechnungsprüfungsamt hat 2014 das Problem benannt

Das Problem: trotz üppigem Honorar Ärzte zu finden, die für einige Wochen die Strapazen auf sich nehmen. Das Klinikum sah sich gezwungen, die Firma Health Care Management International (HCMI) mit der Suche nach Freiwilligen zu beauftragen. Der ehemalige Chef des Münchner Klinikums, Reinhard Fuß, kann aber auch nicht zaubern. Derzeit hält nur der pensionierte Oberarzt der Vulpius-Klinik Bad Rappenau, Jan Papp, die Stellung.

Das Rechnungsprüfungsamt hat 2014 das Problem benannt, damals aber noch die mangelnde Zahlungsbereitschaft der Kuwaitis bemängelt. Für die ersten beiden Raten seien statt 7,1 Millionen Euro) nur 5,3 Millionen Euro geflossen. Mittlerweile hört sich das anders an: Es ist unstrittig, dass der Gesundheitsminister allen Grund hat, den Stuttgarter Vertragspartnern die Zahlungen zu kürzen oder ganz einzustellen und mit Schadensersatzklagen zu drohen. Zudem waren nach StZ-Informationen trotz Ärztemangels die ersten fünf Raten im Umfang von mehr als 20 Millionen Euro komplett geflossen.

In Stuttgart fragt man sich, was diese Vereinbarung überhaupt wert sei bei einem Umfang von 46,2 Millionen Euro, wovon lediglich 16,4 Millionen Euro beim Klinikum verbleiben. Davon müssen sämtliche Kosten beglichen werden. 25,2 Millionen Euro gehen an diverse Berater, allein 12,6 Millionen wurden einem Kuwaiti zugeschanzt. Der Beleg: ein von Schmitz, Braun und Graf unterschriebener Vertrag, für den sich die Staatsanwaltschaft besonders interessieren dürfte. „Die Aufgaben der Dienstleister sind häufig unklar“, klagt Föll. Keineswegs: sie beschleunigen offenbar durch die Gabe von Bakschisch die Verwaltungsvorgänge. Der Stuttgarter Abgesandte Abu-Rikab stünde trotz perfektem Arabisch sonst vor verschlossenen Amtsstuben.