Die Affäre um den angeblichen Landesverrat könnte dem eigentlichen Urheber noch auf die Füße fallen: dem Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg-Maaßen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Als er noch neu an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz war, umschrieb Hans-Georg Maaßen die Widrigkeiten seines Jobs einmal so: „Unser Geschäft lebt auch vom Verrat.“ Damit hat er nun mächtig zu schaffen. Der Chef des Inlandsgeheimdienstes hat die brisante Affäre um angeblichen Landesverrat mit einer Anzeige losgetreten. Nachdem der Generalbundesanwalt Harald Range darüber gestolpert ist, rückt Maaßen ins Fadenkreuz. Manche halten ihn gar für den „eigentlichen Brandstifter“. So giftet der Altliberale Gerhart Baum, der immerhin schon einmal Innenminister war. Maaßen hat viele gegen sich. Aus der Opposition kommen Rücktrittsforderungen. Kritiker finden sich aber auch im Regierungslager – und selbst in der Union, der er seinen Job verdankt.

 

Die schützende Hand des Innenministers

Im Moment hält Innenminister Thomas de Maizière (CDU) noch seine schützende Hand über den obersten Verfassungsschützer. Aus dem Urlaub ließ er zweimal verlauten, nach seiner Ansicht habe Maaßen sich „völlig korrekt“ verhalten. Beim zweiten Mal stellte er diesem Gütesiegel noch ein „formal“ voran – was dessen Wert schon wieder einschränkt. In Maaßens Strafanzeige, die das brisante Verfahren in Gang brachte, war von Landesverrat angeblich nicht die Rede. Einen öffentlich einsehbaren Beleg dafür gibt es nicht, weil das Ministerium die Anzeige selbst zu einer Geheimsache erklärt hat. Maaßens Behörde lieferte dem inzwischen geschassten Generalbundesanwalt jedenfalls die entscheidenden Argumente, um aus dem Fall einen richtig spektakulären zu machen. Auch das wiederum für geheim erklärte Gutachten, in dem diese Argumente niedergelegt sind, hat inzwischen den Weg an die Öffentlichkeit gefunden – ein neuerlicher Beleg dafür, wie wenig Maaßen imstande ist, solche ihm unliebsamen Lecks zu stopfen.

Der Geheimdienstchef gilt als Falke in seinem Gewerbe. Als er noch Beamter im Bundesinnenministerium war, nannten ihn Kritiker „Referatsleiter Gnadenlos“. Sein früherer Chef Otto Schily bescheinigte ihm einst „die notwendige Härte“. Ein solches Lob aus jenem Munde lässt erahnen, dass es vielleicht sogar eine Untertreibung sein könnte, diesen Mann als Fundamentalist in der Sicherheitsbranche zu charakterisieren. Umso mehr muss es ihn quälen, welch miserablen Eindruck seine Behörde nach einem zweijährigen Dauerregen von neuen Enthüllungen über amerikanische Spionage in Deutschland hinterlässt. Schließlich wären Maaßen und seine 2750 Mitarbeiter für die Abwehr solcher Attacken zuständig. Obwohl ihm der vorgesetzte Minister de Maizière inzwischen einen 360-Grad-Blick verordnet hat, der auch die vermeintlich befreundeten US-Kollegen nicht außer Acht lässt, hat Maaßen von dieser Front nichts zu melden.

Geheimhalten, was nicht geheim zu halten ist?

Ihn treibt ein anderer „Skandal“ um. So bezeichnete er den Umstand, „dass geheime und geheimste Unterlagen aus dem Bereich der Nachrichtendienste in die Medien gelangen, sobald sie den politisch-parlamentarischen Bereich erreichen“. Diesen Indiskretionen hat Maaßen den Kampf angesagt. Seine Anzeige wegen der von den Bloggern des Forums „Netzpolitik.org“ veröffentlichten Akten habe als „Warnschuss“ gedient, sagen Sicherheitsexperten. Ein „Warnschuss“ auch in Richtung undichter Stellen im eigenen Haus. Am Ende war es eher ein Schuss in den Ofen. Maaßen sollte sich besser an seinem Kollegen Gerhard Schindler, dem Chef des Bundesnachrichtendienstes, orientieren, heißt es unter Sicherheitspolitikern der Koalition. Der habe es aufgegeben, geheim halten zu wollen, was nicht geheim zu halten sei.

Auch am Gebaren des Innenministers gibt es Kritik – bis hinein in seine eigene Partei. De Maizière werden gleich drei Fehler angelastet. Es hätte ihm nicht passieren dürfen, dass er von Maaßens delikater Anzeige erst Wochen später aus der Zeitung erfuhr und auch dessen Gutachten nicht kannte. Zudem sei unerklärlich, warum ausgerechnet der Innenminister nicht informiert werde, wenn der Verfassungsschutz glaubt, dass „Staatsgeheimnisse“ in die falschen Hände gelangt seien. Es sei „blamabel“, dass de Maizière es als „formal völlig korrekt“ bewertet, wenn ihm solche Informationen vorenthalten würden. Vorwürfe dieser Art sind sowohl aus SPD-Kreisen als auch aus der Union zu hören. Der Fall sei für den Innenminister keineswegs ausgestanden, heißt es in de Maizières Fraktion. Sein angebliches Nichtwissen über die Details der Affäre sei „fast so schlimm, als wenn er es gewusst hätte“. Der Minister bewege sich da „auf dünnem Eis“. Da hat die Vertrauenserklärung zu Gunsten des Verfassungsschutzpräsidenten unter Umständen eine kurze Verfallsdauer.