In Stuttgart war das Verfahren zum Nazi-Massaker von Sant Anna eingestellt worden. Hamburger Staatsanwälte wollen es nun binnen zwei Monaten abschließen. Das Land spendet derweil 30.000 Euro fürs Gedenken an die Opfer.
Stuttgart / Hamburg - Die Staatsanwaltschaft Hamburg will ihre Ermittlungen zum Nazi-Massaker von Sant Anna innerhalb der nächsten zwei Monate abschließen. Dies kündigte eine Sprecherin der Justizbehörden gegenüber der StZ an. Das Verfahren gegen den einstigen SS-Mann Gerhard S. dauere insbesondere deshalb noch an, weil medizinische Fachgutachten zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des 93-Jährigen eingeholt werden mussten. Die Untersuchungen des Beschuldigten seien inzwischen abgeschlossen, zum Ergebnis könne man derzeit noch nichts sagen.
Die Staatsanwälte hatten die Ermittlungen im August vergangenen Jahres wieder aufgenommen, nachdem das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall von S. überraschend dem Klageerzwingungsantrag einer Opfer-Anwältin gefolgt war. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart das Verfahren nach zehn Jahren eingestellt. Wegen des Wohnortes von Gerhard S. hatte das OLG den Fall nach Hamburg verwiesen. Dort hieß es, man betreibe die Ermittlungen „mit hoher Priorität“; zwei Oberstaatsanwälte seien eigens dafür freigestellt worden. Eine zeitliche Prognose hatte die Behördensprecherin zunächst nicht abgeben wollen. Man könne zwar auf die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft Stuttgart zurückgreifen, müsse aber „eine eigenverantwortliche rechtliche Bewertung vornehmen“ und eventuell zusätzliche Untersuchungen durchführen.
Verhandlungsfähigkeit als zentrale Frage
Mit dem Gesundheitszustand des 93-Jährigen hatte sich bereits das Oberlandesgericht befasst. Die Richter ließen „zumindest derzeit“ nicht gelten, dass er dauerhaft verhandlungsunfähig sei. Nachdem ein gerichtsmedizinisches Gutachten im Herbst 2013 zunächst darauf hin gedeutet habe, hätten weitere Untersuchungen dies nicht bestätigt. Der Staatsanwaltschaft Hamburg wurde aufgegeben, dies näher zu klären. Die Einstellung der Ermittlungen in Stuttgart war national und international auf Unverständnis gestoßen; sogar der italienische Staatspräsident hatte sich darüber empört gezeigt. Der zuständige, inzwischen pensionierte Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler hatte seine Entscheidung auch damit begründet, das Massaker im Jahr 1944 mit mehr als 500 Toten sei womöglich nicht geplant gewesen, sondern könnte sich auch zufällig ergeben haben; ein individueller Schuldnachweis sei nicht möglich.
Dies war von der Generalstaatsanwaltschaft sowie vom Justizministerium des SPD-Mannes Rainer Stickelberger abgesegnet worden. Das Oberlandesgericht hatte hingegen eine Verurteilung wegen Mordes oder Beihilfe dazu als wahrscheinlich eingestuft; die Überlegungen Häußlers zur Entlastung der Beschuldigten wertete es als konstruiert und überzogen.
Symbolische 30 000-Euro-Gabe vom Land
Wegen des Umgangs mit dem Massaker und den Überlebenden war auch die grün-rote Landesregierung in die Kritik geraten. Sie bemüht sich nun offenbar zumindest symbolisch um Wiedergutmachung: Die Neugestaltung des Kirchplatzes in dem Toskana-Dorf als zentralem Ort des Gedenkens soll mit 30 000 Euro aus Landesmitteln unterstützt werden. Ein entsprechender Kabinettsbeschluss sei bereits vorige Woche gefasst worden, bestätigte ein Regierungssprecher.
Es sei vorgesehen, dass Kultusminister Andreas Stoch (SPD) die Spende Ende Mai oder Anfang Juni persönlich in Sant Anna überbringe; auch ein offizielles Schreiben des Ministerpräsidenten werde vorbereitet. Die Gräueltaten der Nazis könnten natürlich nicht mit Geld wiedergutgemacht werden, sagte der Sprecher zur Begründung. Man wolle vielmehr „einen kleinen Beitrag gegen das Vergessen und zur Ehrung der Opfer des Massakers in Sant Anna“ leisten.