Erfolg beim Verfahren zum EnBW-Deal: Die Staatsanwaltschaft hat Kopien von Mappus-Mails entdeckt. Unterdessen sieht ein Münchner Rechtsprofessor einen Verdacht auch gegen die beratende Anwaltskanzlei Gleiss Lutz – und attackiert die Anwälte.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei der Durchsuchung Ende August im Staatsministerium hat die Staatsanwaltschaft Kopien von E-Mails des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) sichergestellt. Es handelt sich um Sicherheitskopien des E-Mail-Accounts, die im Herbst 2010 von einer externen Firma erstellt worden waren. Der Grund für deren Einsatz waren damals Probleme mit dem elektronischen Kalender des Regierungschefs. Entsprechende Informationen der „Bild“-Zeitung bestätigte eine Sprecherin der Stuttgarter Ermittlungsbehörde.

 

Über den Inhalt der Mails, die bis Oktober 2010 reichen, wurde nichts bekannt. Sichergestellt wurden die Daten im Zuge der Untreue-Ermittlungen wegen des EnBW-Deals. Im fraglichen Zeitraum könnte es auch Mails zum Polizeieinsatz am „schwarzen Donnerstag“ im Schlossgarten gegeben haben. Diese könnten gegebenenfalls verwertet werden, hatte die Staatsanwaltschaft schon früher gesagt. Der StZ liegen Hinweise aus Kreisen der früheren Regierung vor, wonach es zum Polizeieinsatz gegen S 21-Gegner eine sehr aufschlussreiche Korrespondenz gebe oder gegeben habe.

Grüne fordern Einsicht in die Mails

Ein Regierungssprecher sagte der dpa, es gehe um insgesamt vier Sicherungskopien. „Wir wissen nicht, was da drin ist“, fügte er hinzu. Aus Gründen des Datenschutzes habe man keine Einsicht genommen. Die Kopien hätten längst gelöscht sein müssen. Dies sei von der schwarz-gelben Regierung wohl versäumt worden.

Der Grünen-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss, Ulrich Sckerl, forderte, die Mails sollten dem Gremium so schnell wie möglich übermittelt werden. Auch wenn sie „leider“ nur bis zum Herbst 2010 reichten, könnten sie noch offene Fragen beantworten – etwa die, von wem die Initiative zum EnBW-Deal ausging.

Keine Ermittlungen gegen die Anwälte

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sieht derweil keinen Grund, Ermittlungen auch gegen die beratenden Anwälte der Großkanzlei Gleiss Lutz aufzunehmen. Dies wird besonders in CDU-Kreisen kritisch vermerkt. Bisher wird wegen des Verdachts der Untreue oder der Beihilfe dazu gegen Ex-Ministerpräsident Mappus, die Ex-Minister Willi Stächele und Helmut Rau sowie den Ex-Investmentbanker Dirk Notheis (alle CDU) ermittelt. Man habe derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte, um gegen die Anwälte vorzugehen, sagte die Behördensprecherin. Auch aus einem Aufsatz des Münchner Rechtsprofessors Volker Rieble, der einen „Anfangsverdacht wegen Beihilfe zur Untreue“ sieht, ergebe sich kein solcher Ansatz.

In dem Beitrag für die Rechtszeitschrift „Myops“, die im Beck-Verlag erscheint, setzt sich Rieble überaus kritisch mit der Rolle von Gleiss Lutz beim EnBW-Deal auseinander. Sein Hauptvorwurf: die Anwälte um den Mandatsführer Martin Schockenhoff hätten ihren eigentlichen Mandanten, das Land Baden-Württemberg, „im Stich gelassen“, und viel zu sehr im Sinne des Investmentbankers Notheis agiert. Gründe für mögliche Beihilfe zur Untreue sieht der Professor darin, dass sie „den Gutsverwalter Mappus darin bestärkt haben, sich rechtswidrig zum Gutsherren aufzuspielen“, Finanzminister Stächele zur „unverantworteten Ausübung seines konstruierten Notbewilligungsrechts ermuntert“ hätten und die notwendige Konsultation des Landtagspräsidenten nicht eingefordert hätten.

„Mappus nicht vor Untreue gewarnt“

Als Pflichtverletzung wertet Rieble es auch, dass die Anwälte Mappus offensichtlich nicht „über die Risiken bis hin zur Strafverfolgung wegen Untreue“ aufgeklärt hätten. Dabei habe dies nahe gelegen: „Wenn M. (Mappus, die Red.) nach außen kann, was er nach innen nicht darf, dann handelt es sich um eine typische Untreuesituation.“ Die Rollenverteilung beim EnBW-Deal beschreibt der Rechtsexperte so: Notheis habe auf dem Tandem „vorne gesessen und gelenkt, Mappus durfte ein wenig strampeln, Stächele wurde nicht einmal auf dem Gepäckträger mitgenommen“. Der Fall gebe Anlass, über die Abhängigkeit großer Anwaltskanzleien von Investmentbanken nachzudenken. Anspielend auf de Projektnamen „Olympia“ spottet Rieble, „Ikarus“ hätte es besser getroffen. Nie zuvor hätten sich Anwälte einer angesehenen Kanzlei „derart in Staatsunrecht verstrickt“ und deren Renommee sowie das Vertrauen in den Berufsstand beschädigt. Gleiss Lutz wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern.

Rieble ist ein renommierter Experte für Arbeitsrecht, gilt als arbeitgebernah und ist für streitbare bis provokative Äußerungen bekannt. In Juristenkreisen wurde auf seine enge Verbindung zu dem Freiburger Arbeitsrechtler Manfred Löwisch hingewiesen, der früher für Gleiss Lutz tätig war. Die Zusammenarbeit wurde beendet, nachdem er „privat“ gegen den Volksentscheid zu Stuttgart 21 klagen wollte.