Schokolade soll gesundheitsfördernde Stoffe enthalten. Solche Nachrichten hören wir gerne. Gerade hat wieder eine Studie gezeigt, dass sie beim Abnehmen hilft. Aber die Studie stammt von Arte-Redakteuren und war nicht ernst gemeint. Einige Medien sind trotzdem darauf hereingefallen.

Stuttgart - Eine Wissenschaftslüge geht um die Welt“, heißt es bei Arte. Der Sender wirbt damit für eine Dokumentation, die er am Freitagabend ausstrahlen wird. Die Redakteure Diana Löbl und Peter Onneken wollen zeigen, wie wissenschaftliche Studien missbraucht werden, um die vermeintliche Wirkung von Diäten zu belegen. Diäten sind ein großes Geschäft, viele probieren es immer wieder aufs Neue, und mit Studien gibt man den Werbeversprechen einen seriösen Anstrich.

 

Um zu zeigen, wie leicht das ist, haben die beiden Redakteure im Dezember den US-Journalisten John Bohannon kontaktiert, wie er kurz vor der Sendung im Internetportal io9 berichtet, und ihn gefragt, ob er eine Diätstudie für sie organisieren könnte. Keine gefälschte, aber eine sehr schlechte. Es müsse nur schnell gehen, weil der Sendetermin schon feststehe. Bohannon, der mit solchen Projekten Erfahrung hat, willigte ein. Herausgekommen ist ein Fachartikel im Journal „International Archives of Medicine“, der von einigen Medien in aller Welt aufgegriffen wurde. (Der Beitrag wurde inzwischen gelöscht.) Der größte Erfolg des Teams in Deutschland war eine Meldung auf der Titelseite von „Bild“. Dort stand die gewünschte Botschaft: „Diese Studie schmeckt uns! Wer Schokolade isst, nimmt schneller ab“.

Bohannon versichert in seinem Bericht, dass die Studie echt sei. Nur die Namen der Autoren habe man gefälscht. Als Absender nannten sie das Institute of Diet and Health in Mainz, das laut eigener Pressemitteilung „ein gesundheitswissenschaftlicher Non-Profit Think Tank“ sein soll. Das Institut gibt es nicht wirklich, es hat bloß eine schlichte Website. Aber die Studie soll tatsächlich ergeben haben, was behauptet wird: dass man bei einer Low-Carb-Diät mehr Gewicht verliert, wenn man zusätzlich jeden Tag dunkle Schokolade isst.

Drei Wochen Low-Carb-Diät – mit und ohne Schokolade

Im Januar hatte sich das Team mit 16 Freiwilligen aus dem Raum Frankfurt getroffen. Die Probanden wurden per Los in drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe sollte nichts an ihrem Lebensstil ändern; sie diente nur zum Vergleich. Das ist in medizinischen Studien üblich, um unerwünschte Faktoren zu eliminieren. So haben auch die Probanden der Vergleichsgruppe ohne Diät zum Beispiel in der ersten Woche durchschnittlich ein halbes Kilo Gewicht verloren. Womöglich hat die tägliche Kontrolle auf der Waage dazu geführt, dass sie etwas weniger gegessen haben. Sollten die Probanden, die tatsächlich eine Diät einhalten, ebenfalls nur ein halbes Kilo verlieren, wüsste man, dass man für diesen winzigen Erfolg keine Diät benötigt.

Die Probanden in den anderen beiden Gruppen sollten jeweils drei Wochen eine Low-Carb-Diät einhalten: möglichst wenige Kohlenhydrate, dafür möglichst viel Fett und Eiweiß. Ein Arzt hatte die Probanden untersucht und festgestellt, dass sie für diesen Versuch gesundheitlich geeignet sind. In der einen Gruppe war das alles, die Probanden der anderen erhielten Päckchen mit dunkler Schokolade, von der sie jeden Tag eine Ration (42 Gramm) essen sollten. Das Ergebnis ist in der Studie festgehalten: Die Probanden mit Low-Carb-Diät und Schokolade nahmen um 3,2 Prozent ab, die Probanden mit Low-Carb-Diät ohne Schokolade hingegen nur 3,1 Prozent.

In der Pressemitteilung wird der vermeintliche Studienleiter Johannes Bohannon so zitiert: „Es ist die erste Studie dieser Art, und wir waren schon überrascht, wie gut die Teilnehmer der Schokoladen-Gruppe gegenüber den Teilnehmern einer herkömmlichen Diät abschnitten.“ Man könnte auch sagen, dass er Glück gehabt hat, denn der Unterschied zwischen 3,2 und 3,1 Prozent ist wirklich nicht groß. Wenn nur ein Proband, der keine Schokolade bekam, seine Diät etwas ehrgeiziger angegangen wäre oder die Waage falsch abgelesen hätte, wäre der Versuch gescheitert. In der Wissenschaft zählen Experimente mit so wenigen Probanden deshalb nichts. Weil die Hobbyforscher dieses Risiko kannten, haben sie sicherheitshalber auch Blut- und Urinproben analysiert und die Probanden gefragt, wie sie geschlafen haben. Irgendein Faktor wird schon die Schokoladenthese untermauern, lautete ihre Strategie.

Seriöse Studie führte Öffentlichkeit in die Irre

So leicht sind schlechte Studien nicht immer zu entlarven. Es ist erst drei Jahre her, dass eine US-Medizinerin ein ganz ähnliches Forschungsergebnis bekannt gab: „Schokoladenesser sind dünner“, stand damals über der Pressemitteilung. Die Studie erschien im ungleich renommierteren Journal „Archives of Internal Medicine“ der amerikanischen Medizinervereinigung, die Autorin Beatrice Golomb war eine bekannte Forscherin von der University of California, und sie hatte die Daten von rund 1000 Patienten ausgewertet. Die Studie war also schon auf den ersten Blick seriöser, und damals haben fast alle deutschen Medien darüber berichtet.

Den Haken haben gleichwohl viele übersehen. Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin sprach damals von einer „(un-)bewussten Irreführung der Bürgerinnen und Bürger“. Ihr Einwand: Beatrice Golomb hat bloß einen statistischen Zusammenhang hergestellt, aber keinen kausalen. In ihrer Studie, in der es eigentlich um die Wirkung eines bestimmten Medikaments ging, hatte sie zufällig auch nach dem Schokoladenkonsum gefragt. Und als sie nachrechnete, stellte sich heraus, dass die Patienten mit einem geringen Body-Mass-Index eher mehr Schokolade essen als die dickeren Patienten. Doch das heißt nicht, dass sie wegen der Schokolade dünn sind. Ebenso ist es möglich, dass die dickeren Patienten einen Teil ihres Schokoladenkonsums verschwiegen haben oder dass die dünneren Patienten glaubten, sich die Schokolade leisten zu können.