Nicht nur Hohenheimer Wissenschaftler tüfteln an südamerikanischen Gemüsesorten. Auch die Speisemeisterei tastet sich langsam an regional erzeugten Chia, Quinoa und Yacon heran.

Stuttgart - Ausnahmsweise liegt im Gastraum der Speisemeisterei Rohgemüse aus: Chia, Quinoa und Yacon – aber nur zum Anschauen. Die Samen, Körner und Knollen, die bisher vor allem Veganer kennen und eigentlich in Südamerika zuhause sind, sollen nun auch auf der schwäbischen Scholle wachsen können. Dies jedenfalls ist das Ziel einer Forschergruppe um die Hohenheimer Pflanzenbauprofessorin Simone Graeff-Hönninger. Und was liegt da näher, als die Hintergründe des Forschungsvorhabens den Pressevertretern auch geschmacklich nahezubringen: durch ein Mini-Menü vom Meisterkoch.

 

Experte: Quinoa ersetzt keinesfalls eine volle Mahlzeit

Ein Superfood mit Zaubereigenschaften, das auch noch gut schmeckt? Zumindest in der offiziellen Verlautbarung der Uni Hohenheim ist die Rede von Eigenschaften wie krebshemmend, präbiotisch, die Darmaktivität fördernd, glutenfrei, diabetikergeeignet und mit mehr Omega-3- und -6-Fettsäuren als Fisch. „Superfood-Pflanzen können deshalb eine vollwertige Mahlzeit ersetzen und sind gleichzeitig besonders förderlich für die Gesundheit“, behauptet die Uni.

Doch können sie das wirklich? Das zumindest zweifelt der Hohenheimer Ernährungsmediziner Hans Konrad Biesalski an, der ebenfalls an der ungewöhnlichen Verkostung teilnimmt. „Für mich gibt’s kein Superfood“, sagt Biesalski. „Und Quinoa ersetzt keinesfalls eine vollwertige Mahlzeit – es ist das Problem eines Heilsversprechens“, meint der Professor. Denn es seien „so gut wie keine Vitamine drin: Quinoa macht satt und enthält Eisen, aber sonst nicht viel“. Und das Inulin, das auch Diabetiker vertragen können, werde vom Körper gar nicht aufgenommen, erklärt Biesalski.

Kooperation zwischen Speisemeisterei und Uni Hohenheim

Zuvor hatte Simone Graeff-Hönninger erklärt, dass Superfood sehr unterschiedlich beschaffen sein könne. Sie räumte aber auch ein: „Der Markt verlangt Quinoa und Chia – wir wollen das hier anbauen und nicht der Bevölkerung in Südamerika das Grundnahrungsmittel wegnehmen.“ Es gehe vor allem darum, für die hiesigen Klimavoraussetzungen die passenden Sorten zu finden und durch Züchtung zu optimieren. Das wird die regionalen Veganer freuen.

Das gilt umso mehr, als man aus den unscheinbaren Pflanzen auch Geschmackserlebnisse der besonderen Art kreieren kann, wie der Küchenchef Markus Eberhardinger unter Beweis stellte. Er hatte das viergängige Superfood Menü zusammen mit Sternekoch Frank Oehler konzipiert, der nicht zum ersten Mal mit der Uni Hohenheim kooperiert: Das Rote-Bete-Chia-Yacon-Smoothie zur Einstimmung schmeckt fruchtig, erhält aber durch den leinsamenähnlichen Chia eine schlonzige Note. Die getrockneten Yacon-Flakes ergänzen durch ihren Biss und ihre Herbheit angenehm. Der Quinoa-Papaya-Salat mit Yacon und Gerstengrassoße ist mit seinem etwas lahmen Geschmack gewöhnungsbedürftig. Der Hohenheimer Brokkoli mit angebratenem Quinoa, Chuta Nuss und einer Hollandaise mit Hohenheimer Käse hingegen macht extrem Lust auf mehr.

Mit Yacon und Chia Neuland betreten

Der Küchenchef räumt ein, letzteres Rezept sei erprobt und nur ein wenig abgewandelt. Auch das Dessert ist zum Hineinlegen: zweimal Banane – einmal geröstet mit gerösteten Chiasamen, einmal als Eis mit Blaubeersauce, dazu ein Krokantchip mit Chiasamen. Chapeau!

Mit Yacon und Chia habe man Neuland betreten, sagt Eberhardinger. „Wir haben uns da die letzten Tage herangetastet.“ Auch Biesalski muss einräumen, das Menü sei wunderbar, auch wenn es auf die Dauer als gesunde Ernährung nicht ausgewogen genug wäre. Aber was spricht dagegen, es mit einem leckeren Steak zu ergänzen?